Polen riskiert neuen Streit um die Rechtsstaatlichkeit
27. Mai 2023Es geht im dem verabschiedeten Gesetzestext um die Einsetzung einer Untersuchungskommission. Sie soll prüfen, ob in den Jahren seit 2007 für die Sicherheit des Landes schädliche Amtshandlungen getroffen wurden, ob es zur Weitergabe relevanter Informationen an Dritte kam oder ob Verträge abgeschlossen wurden, die einen Einfluss Russlands begünstigten.
Von 2007 bis 2014 hieß der Regierungschef in Polen Donald Tusk. Die derzeitige Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) wirft ihm unter anderem vor, er habe unvorteilhafte Gasverträge mit Russland abgeschlossen.
Die Opposition bezeichnet das Gesetz als "Lex Tusk", weil es darauf abziele, den ehemaligen Premierminister und EU-Ratspräsidenten vor den im Herbst anstehenden Wahlen von der politischen Bühne zu verdrängen. Die PiS-Regierung erklärt dagegen, einen möglichen russischen Einfluss auf die Sicherheit des Landes untersuchen zu wollen. Das Gesetz muss noch von Präsident Andrzej Duda unterzeichnet werden, damit es in Kraft treten kann.
Keine Rechtfertigung, keine Berufung
Das neunköpfige Gremium, das vom Parlament berufen werden soll, wird auch Strafen verhängen dürfen. Menschen, die für schuldig befunden werden, droht ein zehnjähriges Amtsverbot. Die Regierung hat kein Berufungsverfahren vorgesehen. Zudem sind die Mitglieder der Kommission für ihre Entscheidungen nicht rechenschaftspflichtig.
Die Opposition befürchtet, das neue Gremium könne gegen jeden politischen Gegner der nationalistischen PiS eingesetzt werden, der dann vor einem möglichen Wahlerfolg von seinen Ämtern ausgeschlossen würde. Der polnische Ombudsmann für Menschenrechte, Marcin Wiacek, hält den Gesetzentwurf für verfassungswidrig. Dadurch würde ein öffentliches Verwaltungsgremium Aufgaben wahrnehmen, die eigentlich den Gerichten vorbehalten sein sollten.
"Es ist, als ob es von einer Horde Hunnen ausgearbeitet worden wäre", hatte der unabhängige Senator Krzysztof Kwiatkowski anlässlich der ersten Lesung des Gesetzes im Senat Anfang Mai gesagt. Damals wurde es noch abgelehnt.
rb/AR (AFP, dpa, Reuters)