Polens Präsident in der Ukraine
15. Dezember 2015Wenn der polnische Präsident Andrzej Duda seinem ukrainischen Gastgeber Petro Poroschenko begegnet, ist wohl kaum davon auszugehen, dass die beiden entspannt miteinander plaudern. Denn bislang haben sowohl der polnische Präsident, als auch die Ministerpräsidentin Beata Szydło, das Thema der Ukraine eher zweitrangig behandelt. Es ist aber kein Geheimnis, dass sowohl die Politiker, als auch die konservativ und nationalistisch eingestellten Wähler der in Polen regierenden Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), heftige Kritiker der ukrainischen Geschichtspolitik sind.
Das vom ukrainischen Parlament im Frühjahr verabschiedete Gesetz, das die Mitglieder der während des Zweiten Weltkrieges operierenden nationalistischen Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA) und ihres Führers Stepan Bandera glorifiziert, sorgte damals in Polen für Empörung. Das Verhältnis der heutigen Ukraine zur UPA, die während des Krieges im damaligen Ostpolen (heute Westukraine), Massenmorde an der polnischen Bevölkerung ausübte, ist aus der Sicht der polnischen Rechten der wichtigste Grund für Spannungen mit dem östlichen Nachbar.
Ukraine sucht neue Helden
Die UPA kämpfte aber nicht nur gegen die Polen, sondern auch gegen die Rote Armee. Daher vermutet Adam Eberhardt, stellvertretender Leiter des Insituts für Oststudien in Warschau, keine antipolnischen Absichten hinter dem ukrainischen Gesetz. Es gehe hier vielmehr um die Suche "nach neuen Helden" und antisowjetische Identifikationsfiguren. "Nichtsdestotrotz ist es für die Polen schmerzlich und wir erwarten, dass der neue Prozess der De-Sowjetisierung der Ukraine von der kritischen Reflexion über die UPA begleitet wird", meint Eberhardt, der den polnischen Präsidenten vor seiner Reise in die Ukraine beraten hat.
Die vorherige liberal-konservative polnische Regierung, aber auch die Entourage des jetzigen Präsidenten, sollen laut polnischen Medienberichten angeblich die Ukrainer dazu bewegen zu versuchen, das UPA-Gesetz zu ändern – bislang allerdings ohne Erfolg.
Absage an Duda
Aber nicht nur Kiews Geschichtspolitik wirft einen Schatten auf das polnisch-ukrainische Verhältnis. Duda, der wie sein Vorbild und Vor-Vorgänger Lech Kaczynski, eine aktive Rolle in der Ostpolitik spielen möchte, musste neulich seine erste Niederlage auf diesem Gebiet einstecken. Kurz nach seiner Amtsübernahme im August warb er um die Teilnahme Polens und der USA an den Friedensgesprächen um den Konflikt in der Ostukraine. Zurzeit werden die Gespräche, die immerhin zu einer Eindämmung der Kämpfe geführt hatten, im sogenannten "Normandie-Format" (Ukraine, Russland, Deutschland und Frankreich) geführt. Der Vorstoß Dudas wurde sowohl von Berlin als auch Kiew dankend abgelehnt. Zu groß war in den beiden Hauptstädten die Befürchtung, die Teilnahme Polens könnte Russland unnötig irritieren und die sowieso schon brüchige Waffenruhe gefährden.
Der außenpolitische Berater des polnischen Präsidenten, Krzysztof Szczerski, kündigte damals auch einen politischen Plan für die Ukraine an. Bislang wurde er aber nicht vorgestellt. Es sei aber klar, dass die Sicherheit, gelungene Reformen und die europäische Integration der Ukraine eine Schlüsselrolle für die polnischen Interessen spielten, erklärt Eberhardt. "Polen unterstützt und soll alle Maßnahmen seitens der EU unterstützen, die zur Stabilisierung des Landes und seiner Integration mit europäischen Strukturen führen", unterstreicht der Experte. Dazu zählen Finanzhilfen, die Visabefreiung und ein einheitliches Vorgehen im Konflikt mit Russland. "Polen unterstützt auch die Transformation in der Ukraine durch Transfer des Know-Hows im Bereich der Selbstvewaltungsreform", fügt er hinzu.
"Großes Potential"
Duda hat in Kiew eine schwierige Aufgabe zu meistern. Die national-konservativen Politiker aus Polen, allen voran der politische Ziehvater Dudas, Jaroslaw Kaczynski, sind international nicht unbedingt als konfliktscheu bekannt. Duda aber, der in persönlichen Kontakten als charmant gilt, wird sicherlich versuchen, trotz aller Widerstände, eine Vertrauensbasis aufzubauen.
"Zurzeit gibt es in der Ukraine eine große Sympathiewelle gegenüber Polen. Es geht darum, diese gute Konjunktur zu nutzen und auch die Sympathie der Polen zu den Ukrainern zu stärken", meint Adam Eberhardt. Seiner Ansicht nach besteht die größte Herausforderung für das polnisch-ukrainische Verhältnis darin, "dieses große Potential durch die Interpretation der Geschichte nicht beeinträchtigen zu lassen".