Polens Senat lehnt Änderung des Wahlrechts ab
6. Mai 2020Wenige Tage vor der Präsidentenwahl hat die zweite Kammer des Parlaments in Warschau eine umstrittene Änderung des Wahlrechts abgelehnt. Der von der Opposition dominierte Senat stimmte mehrheitlich gegen das Gesetz, das die nationalkonservative Regierungspartei PiS eingebracht hatte.
Es sieht vor, die für den 10. Mai geplante Präsidentenwahl wegen der Coronavirus-Pandemie ausschließlich per Brief abzuhalten. Die Opposition lehnt das ab und fordert stattdessen die Ausrufung des Naturkatastrophenzustands wegen der Pandemie. Dann könnten die Wahlen legal verschoben werden und erst 90 Tage nach der Aufhebung des Naturkatastrophenzustands stattfinden. Die Durchführung allgemeiner, gleicher und geheimer Wahlen im Mai hält die staatliche Wahlkommission für unrealistisch.
PiS will gute Umfragewerte nutzen
Das sogenannte "Briefumschlag-Gesetz" ist auch deshalb umstritten, weil laut einem Urteil des Verfassungsgerichts die Wahlordnung nicht später als sechs Monate vor der geplanten Wahl geändert werden darf. Staatsrechtler nennen die kurzfristige Einführung der allgemeinen Briefwahl einen Verfassungsbruch.
Zudem gibt es starke Zweifel daran, ob es die Post schafft, allen Wählern ihre Unterlagen rechtzeitig zuzustellen. Die PiS hat in ihrem Gesetzentwurf deshalb zusätzlich die Möglichkeit vorgesehen, die Wahl auf den 17. Mai oder den 23. Mai zu verschieben. Sie will auf jeden Fall zeitnah wählen lassen, weil ihr Kandidat, der amtierende Präsident Andrzej Duda, in allen Umfragen führt.
Gesetz könnte auch im Sejm durchfallen
Die letzte Entscheidung über den Gesetzentwurf hat die erste Kammer des Parlaments, der Sejm. Der segnete das "Briefumschlag-Gesetz" vor knapp einem Monat ab. Nun kann die von der PiS angeführte Regierungskoalition mit ihrer Mehrheit im Sejm das Veto des Senats wieder brechen. Die Abstimmung soll am Mittwoch oder Donnerstag stattfinden.
Allerdings regt sich auch in den Reihen eines der beiden Koalitionspartner, der Partei Verständigung, Widerstand gegen eine Wahl in Corona-Zeiten. Der Chef der Verständigung, Jaroslaw Gowin, trat aus Protest gegen die geplante Briefwahl bereits als Vizepremier zurück. Wenn die 18 Abgeordneten der Partei im Sejm gegen den Gesetzentwurf stimmen, könnte Wahl nicht wie geplant am kommenden Sonntag stattfinden. Für eine herkömmliche Wahl in Wahllokalen gibt es keine Vorbereitungen.
ww/wa (dpa, rtre, DW)