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Blockade in Bangladesch

Thomas Latschan3. Januar 2014

In Bangladesch ist ein neues Parlament gewählt worden. Doch die Opposition boykottierte die Wahl und trug ihren Protest auf die Straße. Der Konflikt reicht tief in Bangladeschs gespaltene Gesellschaft hinein.

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Bangladesch, Ausschreitungen vor den Wahlen, 29. Dez. 2013 (Foto: MUNIR UZ ZAMAN/AFP/Getty Images)
Bild: MUNIR UZ ZAMAN/AFP/Getty Images

Hoffnungen setzt kaum jemand in diesen Urnengang. Weder die Bevölkerung in Bangladesch noch externe Beobachter versprechen sich von der Parlamentswahl am Sonntag (05.01.2014) einen Ausweg aus der politisch extrem verfahrenen Lage im Land. Zu verhärtet sind die Fronten zwischen der regierenden Awami League (AL) und einer ganzen Reihe von oppositionellen Parteien, insbesondere der Bangladesh Nationalist Party (BNP).

Wahl ohne Auswahl

Schon vor Monaten hatten sich AL und BNP heillos über die Vorbereitung der Wahlen zerstritten - so sehr, dass die führende Oppositionspartei BNP und mehrere kleinere Parteien nicht nur den Urnengang boykottieren, sondern immer wieder das ganze Land mit Protestmärschen und Generalstreiks lahmlegen. Auf die Bekanntgabe des Wahltermins Mitte November reagierten Anhänger der Opposition mit gewaltsamen Protesten. Über 140 Menschen wurden dabei bislang getötet.

Bangladeschs Premierministerin Sheikh Hasina (Foto: epa)
Regierungschefin Sheikh Hasina hält trotz des Boykotts der Opposition unbeirrt am Wahltermin festBild: picture-alliance/dpa

Regierungschefin Sheikh Hasina zeigte sich dennoch fest entschlossen, die Wahl durchzuführen, "auch wenn diese von großen Teilen der Bevölkerung nicht akzeptiert wird", sagt Imtiaz Ahmed, Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Dhaka. "Denn von vornherein ist klar, dass in 153 der 300 Wahlkreise der Abgeordnete der AL ins Parlament kommen wird, ohne dass auch nur eine Stimme ausgezählt wird." Grund: Die Opposition tritt dort gar nicht erst an. Da in Bangladesch das Mehrheitswahlrecht gilt und in diesen Wahlkreisen gar nicht gewählt werden kann, sei somit mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten praktisch vom Urnengang ausgeschlossen, "und das verstößt klar gegen den Geist unserer Verfassung, die vorschreibt, dass jeder Bangladeschi das Recht hat zu wählen", so Imtiaz Ahmed.

"Bei einer so geringen Wahlbeteiligung wird die Regierung keinerlei nationale Legitimität für sich beanspruchen können," sagt auch Henrik Maihack von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Dhaka: "Oppositionsführerin Khaleda Zia steht de facto unter Hausarrest, fast die komplette Spitze der BNP ist entweder untergetaucht oder sitzt im Gefängnis." Die Anführer der BNP werden beschuldigt, die gewaltsamen Proteste in den vergangenen Wochen mit angestachelt zu haben. "Für die Konsolidierung der Demokratie im Land ist das keine gute Entwicklung", sagt Maihack und rechnet nach den Wahlen mit einer weiteren Eskalation der Gewalt.

Streitpunkt Übergangsregierung

Einer der größten Zankäpfel zwischen Regierung und Opposition war der Streit um das sogenannte "Caretaker Government" - eine neutrale technokratische Übergangsregierung, die in der Vergangenheit jeweils kurz vor den Wahlen eingesetzt wurde, um für einen reibungslosen Ablauf der Wahlen zu sorgen. Doch im Juni 2011 war diese Regelung vom Obersten Verfassungsgericht in Dhaka für verfassungswidrig erklärt worden. Es verstoße gegen das Gesetz, eine nicht gewählte Regierung zu installieren - und sei es nur für einen kurzen Zeitraum. Das Gericht hatte den politischen Parteien aber eine Übergangszeit eingeräumt, nach der die folgenden beiden Parlamentswahlen noch nach der alten Regelung hätten durchgeführt werden können - "um die Stabilität des Landes nicht zu gefährden", wie es in der Begründung hieß.

Bangladeschs Oppositionsführerin Khaleda Zia (Foto: DW/Mustafiz Mamun)
BNP-Chefin Khaleda Zia darf vor den Wahlen ihr Haus nicht verlassen - wie es heißt, "zu ihrem eigenen Schutz"Bild: DW/M. Mamun

Doch die regierende AL wollte schon bei diesen Wahlen von der bisherigen Praxis abrücken und stattdessen eine Allparteien-Regierung unter ihrem Vorsitz als "Caretaker" einsetzen. Die Opposition lehnte dies kategorisch ab, "weil sie der Regierung nicht zutraut, freie und faire Wahlen zu organisieren", so Henrik Maihack. Sie fürchtet, dass Polizei, Justiz und Behörden bis hin zur Wahlkommission zu sehr mit AL-Anhängern durchsetzt seien, um eine neutrale Vorbereitung der Wahlen sicherstellen zu können.

Streitpunkt Kriegsverbrechertribunal

Große soziale Spannungen entluden sich auch über das Kriegsverbrechertribunal, das Regierungschefin Sheikh Hasina auf Wunsch einer breiten Bevölkerungsmehrheit eingesetzt hatte, um die Verbrechen im Unabhängigkeitskrieg von Pakistan 1971 aufzuarbeiten. Die wichtigsten Angeklagten gehören der oppositionellen islamistischen Partei Jamaat-e-Islami (JI) an. Ihnen werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Krieges vorgeworfen. Auch einige Mitglieder der BNP hatten damals paramilitärischen Einheiten angehört, die gezielt Unterstützer der Unabhängigkeitsbewegung vergewaltigt, gefoltert und hingerichtet haben sollen. Die Frage, wie mit den Angeklagten umgegangen werden soll, spaltet das Land zutiefst: Im Sommer forderten Hunderttausende eher säkular geprägte Menschen die Todesstrafe für die Verurteilten. Die regierende AL versuchte, die aufgeheizte Stimmung für sich zu nutzen und die Opposition zu diskreditieren.

Bangladeschs zum Tode verurteilter Oppositionspolitiker Abdul Quader Mollah (Foto: REUTERS)
Abdul Qader Mollah wurde im Zuge der Kriegsverbrecherprozesse im Dezember 2013 gehängtBild: Reuters

In wütenden Protesten stellten die Islamisten daraufhin die Demonstranten ebenso wie die AL als "unislamisch" dar. Die Regierungspartei reagierte mit einem Schlingerkurs: Sie ließ Blogger verhaften, die von den Islamisten als Atheisten bezeichnet worden waren. Gleichzeitig aber trieb sie die Arbeit des Kriegsverbrechertribunals weiter voran. Erst Mitte Dezember wurde ein Todesurteil gegen den JI-Spitzenpolitiker Abdul Qader Mollah vollstreckt, was die Spannungen zwischen den Lagern weiter anheizte.

Kein Ausweg ohne Dialog

Auch wenn die Spaltung des Landes auf den ersten Blick unüberbrückbar erscheint, sehen politische Analysten die Lage noch nicht als komplett verfahren an. "Eine Situation wie diese ist in der jüngeren demokratischen Geschichte Bangladeschs nichts Neues", sagt Henrik Maihack von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Dhaka. "Vor jeder Wahl kam es immer wieder zu Boykottaufrufen, zu politischer Gewalt in den Straßen, zu Generalstreiks."

Imtiaz Ahmed von der Universität Dhaka ist sich sicher, dass das bitterarme Land sich gar keine allzu lange Zeit politischer Instabilität leisten kann: "Der internationale Druck wird groß werden, Investitionen aus dem Ausland werden ausbleiben. Und die Regierung verliert durch ihre starre Haltung immer mehr Rückhalt in der Bevölkerung. Sie wird gar keine andere Möglichkeit haben, als über die Ausrichtung von Neuwahlen nachzudenken", ist der Politologe überzeugt.