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Eine Sozialdemokratin wird Dänemarks neuer Premierminster

16. September 2011

Dänemark hat den Wechsel gewählt und eine Ära beendet. Zehn Jahre rechts-liberale Regierungszeit mit Duldung der Rechtspopulisten haben ein Ende. Außerdem wird das Land künftig erstmals von einer Frau regiert.

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Helle Thorning-Schmidt bei ihrer Stimmabgabe in Kopenhagen am 15. September 2011 (Foto: dpa)
Wahlsiegerin Helle Thorning-SchmidtBild: picture alliance/dpa

Das von der europaskeptischen und fremdenfeindlichen "Dänischen Volkspartei" (DVP) geduldete konservative Parteienbündnis büßte erheblich an Stimmen ein, sodass am Ende der Wahlen am Donnerstag (15.09.2011) die Opposition unter Führung der Sozialdemokraten die Nase vorn hatte. Doch bereits in der Stunde ihres Triumphes ist die Siegerin und künftige Premierministerin Helle Throning-Schmidt geschwächt. Denn die Sozialdemokraten erzielten das schlechteste Ergebnis seit mehr als 100 Jahren, und das bunt zusammengewürfelte Bündnis aus Sozialisten und Sozialliberalen fußt auf einem fragilen Fundament.

Helle Thorning-Schmidt jubelt (Foto: AP/dapd)
Dänemarks wahrscheinlich erste RegierungschefinBild: AP/dapd

Das Vega, ein Nachtclub im Kopenhagener Stadtteil Vesterbro, glich einem Tollhaus. Kein Wunder, denn schließlich haben "wir Geschichte geschrieben", wie die Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei und künftige Premierministerin Helle Thorning-Schmidt kurz nach Mitternacht in die Mikrofone rief. Gemeint hat sie damit weniger die Tatsache, dass mit der 44jährigen Politikerin erstmals eine Frau an der Spitze einer dänischen Regierung steht. Vielmehr ist die zehn Jahre währende Ära einer Mitte-Rechts-Regierung unter Duldung der Rechtspopulisten zu Ende gegangen - wenn auch mit einem denkbar knappen Wahlsieg der Sozialdemokraten.

"Wir haben den Wechsel geschafft", sagte eine nach einer dramatischen Wahlnacht sichtlich erleichterte Thorning-Schmidt. Für Dänemark sei dieses Ergebnis historisch, da die politische Agenda dieses Landes nun nicht mehr von Rechtspopulisten mitbestimmt werde.

Schlappe für Rechtspopulisten

Auch Europa wird den Ausgang der Parlamentswahl in Dänemark wohl mit Beruhigung registrieren. Denn der immense Einfluss der rechtspopulistischen DVP hat in Brüssel regelmäßig für Unbehagen gesorgt. Erstmals seit 16 Jahren musste die DVP Verluste hinnehmen - wenn auch nur leichte. "Wir werden nun in die Opposition gehen und von dort aus versuchen, so gut es geht, Politik aktiv zu gestalten", sagte DVP-Chefin Pia Kjærsgaard - wohl wissend, dass ihre Partei auf eine stabile Stammwählerschaft blicken kann.

Lars Løkke Rasmussen, dahinter seine Frau (Foto: AP)
Premierminster Rasmussen musste seine Niederlage eingestehenBild: AP/dapd

Offiziell waren die Rechtspopulisten zwar nicht in der Regierung, stützten aber seit 2001 die liberal-konservative Koalition des jetzigen NATO-Generalsekretärs Anders Fogh Rasmussen und später dessen Nachfolgers und Namensvetters Lars Løkke Rasmussen. Ihre bequeme Duldungsposition erlaubte es den Rechtspopulisten, Regierung und Opposition zugleich zu sein, und sie trieben die Koalition mit Forderungen nach einem schärferen Einwanderungsrecht regelmäßig vor sich her. Auch die im Mai beschlossenen und besonders von Deutschland scharf kritisierten Grenzkontrollen waren nichts anderes als der Preis dafür, dass sie dem Regierungsplan zustimmten, die Frührente zu kürzen.

Schwacher Sieg der Sozialdemokraten

Diesem Treiben ein Ende zu setzen, war denn auch das Hauptziel der sehr bunten Allianz aus sozialistischer Einheitsliste, Sozialistischer Volkspartei, Sozial-Liberalen und eben den Sozialdemokraten Thorning-Schmidts. Mit dem Machtwechsel in Kopenhagen haben sie das erreicht. Und dennoch mischt sich bei einigen noch am Wahlabend Freude mit der Gewissheit, dass die kommenden vier Jahre alles andere als ein Selbstläufer sein werden.

Das liegt nicht nur an dem abermals schwächeren Abschneiden der Sozialdemokraten - mit 25,5 Prozent der Stimmen fahren sie ihr schlechtestes Ergebnis seit 1906 ein. Vor allem wird Helle Thorning-Schmidt ihren erstarkten Koalitionspartnern Zugeständnisse machen müssen. Schon im Wahlkampf haben Wirtschaftsfragen dominiert, und auf die wird sich auch die sozialliberale Partei Radikale Venstre konzentrieren. Mit ihnen haben die Sozialdemokraten einen selbstbewussten Partner an ihrer Seite, der die daniederliegende Konjunktur des Landes lieber mit Einsparungen wieder ankurbeln will als mit massiven Investitionen und Konjunkturprogrammen. Darin stimmt sie mit der konservativen Opposition überein. Noch am Wahlabend warnte die Vorsitzende der sozialistischen Einheitsliste, Johanne Schmidt-Nielsen, den Sozialliberalen dürfte in der Wirtschaftspolitik kein Vetorecht eingeräumt werden. Im Regierungsbündnis entsteht ein Machtkampf mit ungewissem Ausgang.

Neue Perspektive auf Europa

Eines ist hingegen sicher. "Wir werden einen anderen Ton anschlagen", sagte Thorning-Schmidt und meinte damit auch das Auftreten ihres Landes auf der europäischen Bühne. Hier hatte die rechts-liberale Regierung mit ihren Alleingängen Nachbarn und Partner in der EU bisweilen vor den Kopf gestoßen. Zuviel sollte man von der neuen Regierung Dänemarks jedoch nicht erwarten. Zwar ist geplant, zwei der drei Vorbehalte des Landes gegenüber der Europäischen Union in der kommenden Legislaturperiode per Volksabstimmung ad acta zu legen, nämlich die Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit sowie Justiz- und Innenpolitik.

Dänische Wähler kommen nach ihrer Stimmabgabe aus Wahlkabinen (Foto: dpa)
Wähler nach der Stimmabgabe im Kopenhagener RathausBild: picture alliance/dpa

Die Einführung des Euro ist jedoch kein Thema. Dies machten Spitzenpolitiker über alle Parteigrenzen hinweg deutlich. Sie alle wissen, dass die Bevölkerung der Gemeinschaftswährung zutiefst skeptisch gegenübersteht und eine Volksabstimmung deshalb nur scheitern kann. Niemand weiß, ob und wann sich die Stimmung der Dänen in dieser Frage drehen wird.

So weit wollte in der Wahlnacht ohnehin noch niemand denken. Auch Verlierer Lars Løkke Rasmussen nicht. Er hat seine liberale Venstre-Partei abermals zur stärksten Kraft im Parlament gemacht - und in diesem Bewusstsein wird er erhobenen Hauptes als Regierungschef abtreten und in die Rolle des Oppositionsführers schlüpfen. Jedoch nicht für lange. Davon ist zumindest er überzeugt. "Morgen geben wir den Sozialdemokraten die Schlüssel zur Staatskanzlei", sagte er seinen Anhängern. "Doch Vorsicht, Helle. Pass gut auf sie auf. Denn die sind nur geliehen."

Autor: Elmar Jung, Kopenhagen
Redaktion: Beate Hinrichs