Stefan Heym wäre am 10. April 100 geworden
10. April 2013Von seiner Geburtsstadt Chemnitz in Sachsen bekommt er ein imposantes Geschenk: Der Platz vor dem künftigen Landesarchäologiemuseum heißt seit dem 10. April 2013 Stefan-Heym-Platz. Der Schriftsteller wäre an diesem Tag 100 Jahre alt geworden. Das Besondere: Als er in Chemnitz wohnte, hieß er gar nicht Heym, sondern Helmut Flieg und war der Sohn eines jüdischen Kaufmanns. Seine Heimatstadt verließ er mit 18 Jahren. Denn damals wurde er vom Gymnasium geworfen, weil er ein antimilitaristisches Gedicht geschrieben hatte. Viele Jahre später - nach dem Tod Heyms 2001 - wird der befreundete Schriftsteller Johannes Simmel über ihn sagen: "Den Autor hat niemand und nichts jemals brechen und mundtot machen können."
Hollywood sichert sich die Filmrechte
Ganz in diesem Sinne zog Heym nach dem Rauswurf nach Berlin, um dort das Abitur zu machen. Er veröffentlichte erste Artikel in Berliner Zeitschriften. 1933 - nach der sogenannten Machtergreifung Hitlers - floh er nach Prag. Hier wurde aus Helmut Flieg Stefan Heym: ein Pseudonym, das er sich mit Rücksicht auf seine Familie zulegte. Zwei Jahre später siedelte er in die USA über. Dort schrieb er seine ersten Romane - auf Englisch. "Hostages" (in der deutschen Übersetzung "Der Fall Glasenapp") ist die Geschichte eines Offiziers, der Selbstmord begeht. Als sie 1942 erscheint, sichert sich Hollywood die Filmrechte.
Danach nimmt Heym für die USA selbst am Zweiten Weltkrieg teil. Nach dem Ende des Krieges hilft er beim Aufbau neuer Zeitungen in Essen und München. Wegen politischer Differenzen wird er in die USA zurückversetzt. Sein Kriegsroman "The Crusaders" (in der deutschen Übersetzung: "Kreuzfahrer von heue") erscheint 1948 und wird zum Weltbestseller.
Veröffentlichungsverbot in der DDR
Doch Heym kommt nicht zur Ruhe und lässt sich seine politischen Überzeugungen nicht verbieten - auch nicht vom US-amerikanischen Kommunisten-Jäger Senator Joseph McCarthy. 1952 gibt er alle militärischen Auszeichnungen an die US-Regierung zurück und zieht mit seiner Frau nach Ost-Berlin, in die DDR. "Vorurteilslos stürzt er sich in das Abenteurer DDR", formulierte es eine Journalistin nach seinem Tod. Heym hat Sonderrechte in der DDR-Diktatur: Er fährt einen Wagen aus West-Deutschland und darf auch Reisen ins Ausland antreten. Andererseits wird er, wie er später aus seinen Stasi-Akten erfährt, Tag und Nacht bespitzelt. Seine Kolumne bei der Berliner Zeitung wird gestrichen, einige seiner Bücher dürfen in der DDR nicht veröffentlicht werden. Und trotzdem: Er sah sich nie als "Gegner" des Regimes, sondern als "Kritiker", wie er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung 1994 sagte.
Sein Roman "Collin" erschien 1979 in der Bundesrepublik, weil er von der DDR-Zensur abgelehnt wurde. Die Abrechnung mit der stalinistischen Vergangenheit des Landes passte den Entscheidungsträgern nicht. In Westdeutschland war er der meistgelesene Autor der DDR. Als Reaktion auf die nicht genehmigte Veröffentlichung wurde er wegen eines Devisenvergehens zu einer Geldstrafe verurteilt und aus dem DDR-Schriftstellerverband geworfen. Erst 1992, nach der Wiedervereinigung, nahm ein Gericht das Urteil offiziell zurück.
Konservative Politiker verweigern den Applaus
Kurz vor der Wende im Herbst 1989 gehörte Heym zu den Rednern einer Kundgebung auf dem Berliner Alexanderplatz. Er forderte einen "neuen, besseren Sozialismus in der DDR". Bei der Bundestagswahl 1994 ließ er sich von der PDS, der Nachfolgepartei der SED aus DDR-Zeiten, als Kandidat aufstellen, trat aber nicht in die Partei ein. Beim Antritt des Mandats war er bereits 81 Jahre alt, und ihm fiel der Status des Alterspräsidenten zu. Bei seiner Eröffnungsrede im November 1994 verweigerten ihm fast alle Abgeordneten der christdemokratischen Fraktion den Applaus. Ein Jahr später gab er das Mandat aus Protest gegen die Erhöhung der Bezüge der Abgeordneten auf.
Für seine Ehefrau Inge schrieb er eine Sammlung heiterer Geschichten, die unter dem Titel "Immer sind die Weiber weg und andere Weisheiten" 1997 veröffentlicht wurden. "Ich wusste nicht, was ich ihr schenken sollte", erklärte Heym. Kurz vor seinem Tod sagte er in seinem vermutlich letzten Interview: "Manchmal kommt es mir vor, als ob mein Herz kleine Arme hätte, die es austreckt nach der Frau, die ich liebe." Stefan Heym starb am 16. Dezember 2001 in Jerusalem.
Stefan Heym: „Ich ging über die Grenze“, C. Bertelsmann Verlag München, 128 Seiten, ISBN 978-3-570-10160-5. Sammlung früher Gedichte.
Therese Hörnigk: „Ich habe mich immer eingemischt. Erinnerungen an Stefan Heym“, Verlag für Berlin-Brandenburg, 190 Seiten, ISBN 978-3-942476-56-0.