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Polizei deckt mehr Kinderpornografie-Delikte auf

Nils Naumann4. Juni 2014

Die Straftaten im Bereich Kinderpornografie haben im vergangenen Jahr um rund 28 Prozent zugenommen. Die Polizeiliche Kriminalstatistik verzeichnet mehr als 4000 Fälle. Was steckt dahinter?

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Symbolbild Kinderpornografie (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Miguel Abrantes Ostrowski ist 42. Ein gut aussehender, kräftiger Mann mit glattrasiertem Schädel. Abrantes war Schüler am Bonner Aloisiuskolleg, einem von Jesuiten geführten Internat. In den 1980er Jahren machte der damalige Leiter des Internats Nacktfotos von Abrantes in der Dusche und im Park. Die Folgen der sexualisierten Gewalt seien beträchtlich, sagt Abrantes: "Ich arbeite noch heute daran, mich endlich binden zu können und Nähe zuzulassen." Öffentlich über den Vertrauensbruch zu sprechen, habe ihn viel Überwindung gekostet.

Häufig kursieren die Bilder von nackten und sexuell missbrauchten Kindern wie Abrantes über Jahre wenn nicht Jahrzehnte in einschlägigen Kreisen. In den 1980er Jahren wurden sie lediglich in privaten Zirkeln getauscht oder in Sexshops unter dem Ladentisch verkauft. Heute ist der Zugang zu Kinderpornografie einfacher geworden. Anbieter und Konsumenten von Filmen und Bildern, die zeigen, wie Erwachsene Kinder vergewaltigen, nutzen das Internet. Gleichgesinnte finden sich in sozialen Netzwerken, Chatrooms oder Foren.

Schlag gegen Netzwerke

Die an diesem Mittwoch (04.06.2014) von Innenminister Thomas de Maizière vorgestellte bundesweite Kriminalstatistik verzeichnete im vergangenen Jahr einen Anstieg im Bereich Kinderpornografie von rund 28 Prozent. Insgesamt wurden 4144 Fälle aufgedeckt. Das ist ein Plus von mehr als 900 Fällen.

Razzia: Datenträger mit kinderpornografischem Material, 2005 (Foto: AP Photo)
Ergebnis einer Razzia: Datenträger mit KinderpornografieBild: AP

Der Anstieg resultiert vor allem aus einem verschärften Fahndungsdruck der Polizei, aus Großverfahren mit hunderten Beschuldigten. Außerdem haben Bundesländer wie Bayern und Nordrhein-Westfalen eigene Kompetenzzentren zur Bekämpfung der Internetkriminalität eingerichtet. Hier sitzen auch Experten, die sich mit der Verfolgung von Kinderpornografie beschäftigen.

Spitze des Eisbergs

Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Polizeigewerkschaft, glaubt allerdings, dass die bekannt gewordenen Fälle von Kinderpornografie auch weiterhin nur die Spitze des Eisbergs sind. "Die Dunkelziffer ist beträchtlich." Viele Fälle würden wegen der mangelhaften Personalausstattung der Polizei unentdeckt bleiben. Die deutsche Politik nehme das Thema noch immer nicht wichtig genug. "Es fehlt hinten und vorne an Geld und Personal."

Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (Foto: Karlheinz Schindler)
Rainer Wendt: Hohe DunkelzifferBild: picture alliance/ZB

Ein Beispiel seien die nicht vorhandenen Analysekompetenzen. Es sei sogar schon vorgekommen, dass beschlagnahmte Festplatten mutmaßlicher Verbreiter von Kinderpornografie jahrelang liegenblieben seien, sagt Wendt. "Die mussten den Beschuldigten sogar zurückgegeben werden, weil wir nicht in der Lage waren, die Dinge auszuwerten." In vielen Bundesländern, erklärte André Schulz, Chef des Bundes deutscher Kriminalbeamter, gegenüber der Tageszeitung "Die Welt", müsse die Polizei bereits Privatfirmen beauftragen, um sichergestellte Festplatten auszuwerten.

Ein weiteres Problem, betont Wendt, sei die fehlende Vorratsdatenspeicherung. Die Internetprovider müssen die IP-Adressen und die Verbindungsdaten ihrer User nicht über einen längeren Zeitraum speichern. Wenn die Polizei herausfinden will, wer hinter einer IP-Adresse steckt und zum Beispiel vor Monaten ein Bild ins Netz gestellt hat, greift sie deswegen häufig ins Leere. Wendt fordert deswegen, dass die Speicherung der Verbindungsdaten schnell neu geregelt werden müsse.

Verschärfung des Strafrechts

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sieht beim Thema Vorratsdatenspeicherung dagegen bisher keinen Grund zur Eile. Der Europäische Gerichtshof hatte die entsprechende EU-Richtlinie gekippt. Die verdachtslose Speicherung von Verbindungsdaten müsse auf das "absolut notwendige beschränkt" werden, urteilten die Richter.

Bundesjustizminister Heiko Maas (Foto: dpa)
Heiko Maas: Strafgesetz verschärfenBild: picture-alliance/dpa

Dafür will Maas das Strafrecht bei der Kinderpornografie verschärfen. Das gewerbsmäßige Handeln mit Nacktbildern von Kindern soll untersagt werden. Bloßstellende Nacktaufnahmen von Kindern will Maas verbieten. Das Missbrauchsopfer Miguel Abrantes Ostrowski begrüßt die geplante Verschärfung der Strafgesetze: "Es muss Staatsanwälte neugierig machen, wenn Kinder wie wir damals splitterfasernackt durch den Park gescheucht und dabei abfotografiert werden."