Ethnische Kontrollen
31. Oktober 2012Im Dezember 2010 war der damals 25-Jährige Architekturstudent mit deutschem Pass und dunkler Hautfarbe in einem Zug von Kassel nach Frankfurt am Main von zwei Beamten der Bundespolizei angesprochen worden. Die Polizisten wollten den Ausweis des jungen Mannes sehen, doch dieser fühlte sich diskriminiert und weigerte sich. Das Vorgehen erinnere ihn an "nationalsozialistische Methoden", hatte der erboste Student noch gesagt, daraufhin zeigte ihn ein Polizist wegen Beleidigung an.
Während des Prozesses, der durch verschiedene Instanzen ging, hatte einer der Polizeibeamten ganz offen erklärt, er habe den Studenten auch wegen seiner Hautfarbe kontrolliert – das sei gängige Praxis. Daraufhin reichte der Student eine Klage wegen Diskriminierung gegen die Bundespolizei ein.
Verschiedene Instanzen – unterschiedliche Rechtssprechung
Das Verwaltungsgericht in Koblenz hatte im März 2012 noch entschieden, dass die Kontrolle in Ordnung gewesen sei. Um illegale Einreisen zu verhindern, dürfe die Polizei auch nach dem äußeren Erscheinungsbild Stichproben vornehmen. Das oberste Verwaltungsgericht in Deutschland hat dieses Urteil nun gekippt und dem Studenten in seiner Argumentation recht gegeben.
Die Hautfarbe dürfe nicht das ausschlaggebende Kriterium für eine Ausweiskontrolle sein, urteilten die Richter des Oberverwaltungsgerichts in Koblenz. Das Vorgehen sei ein klarer Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot in Artikel 3 des Grundgesetzes: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden."
Verschiedene Polizeigewerkschaften – unterschiedliche Bewertungen
Bei der Polizei sorgte das Urteil für Kontroversen. "Die Gerichte machen schöngeistige Rechtspflege, aber richten sich nicht an der Praxis aus", kritisierte der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, das Urteil. Die Polizeiarbeit werde durch die Vorgaben des Gerichts erschwert. Das sieht man bei der "Konkurrenz-Gewerkschaft", der Gewerkschaft der Deutschen Polizei (GDP), ganz anders. Deren Vertreter Josef Scheuring sagte gegenüber der Deutschen Welle, er sei irritiert über die Äußerungen von Wendt. "Das repräsentiert nicht die Meinungsmehrheit der deutschen Polizei und erzeugt ein Bild, das der deutschen Polizei nicht gerecht wird."
Selbstverständlich akzeptiere man das Urteil des Verwaltungsgerichts, es hindere die Polizeiarbeit auch in keiner Weise. Denn Personenkontrollen dürfe die Bundespolizei ohnehin nur "anlassbedingt" durchführen, und eben dieser begründete Anlass habe im Falle des Kasseler Studenten gefehlt. "Niemand in Deutschland darf nur aufgrund seiner Hautfarbe polizeilich kontrolliert werden", stellt Josef Scheuring klar.
Menschenrechtler begrüßen Urteil
Die Menschenrechtsorganisation amnesty international zeigte sich erleichtert, dass das Oberverwaltungsgericht den Urteilsspruch der ersten Instanz aufgehoben hat. "Wir begrüßen die Entscheidung als wichtiges Signal gegen Diskriminierung bei Personenkontrollen", sagte Alexander Bosch, Experte für Polizei und Menschenrechte im Gespräch mit der Deutschen Welle. Bei amnesty international beschwerten sich in den letzten Jahren verstärkt Menschen mit Migrationshintergrund über solche diskriminierenden Kontrollen.
Tahir Della ist in München geboren und aufgewachsen. Er engagiert sich bei der "Initiative Schwarze Menschen in Deutschland" und meint: "Das gezielte Kontrollieren von schwarzen Menschen ist ja kein neues Thema". Viele schwarze Deutsche hätten ähnliche Erfahrungen wie der Kasseler Student gemacht. Auch wer fließend Deutsch spreche, werde als Dunkelhäutiger automatisch als Ausländer wahrgenommen. Das Selbstverständnis Deutschlands sei immer noch geprägt von der Vorstellung, nur ein weißer Mensch könne ein echter Deutscher sein. "Schwarze Menschen werden marginalisiert und nicht als zugehöriger Teil der Gesellschaft betrachtet", urteilt Della. Diese Einschätzung sei aber nicht zeitgemäß und werde der multikulturellen und multiethnischen Gegenwart nicht gerecht. Deshalb betrachte die Initiative das Gerichtsurteil als "einen großen Schritt in die richtige Richtung".