Bauern vs Chevron
7. Juli 2013Die Gegend um den kleinen Ort Zurawlow im östlichen Polen ist ein weites Panorama grüner Felder und Weiden - und die Bewohner möchten, dass es auch so bleibt. Vor zwei Jahren hat die US-Energieinformationsbehörde geschätzt, dass bis zu 5,3 Billionen Kubikmeter Gas unter dem Land schlummern und mit Fracking gefördert werden könnten - genug für 300 Jahre Energieversorgung für das Land.
Anfangs waren die Bürger von Zurawlow noch Feuer und Flamme, als das US-Energieunternehmen Chevron mit Frackingplänen vor der Tür stand. Doch als sich herumsprach, wie gefährlich die Sache für die Umwelt sein könnte, änderte sich die Stimmung schnell. Nun geht die Angst um, dass das Fracking das Wasser verschmutzen und das Ökosystem und die Lebensgrundlage zerstören könnte. Die Bäuerin Pani Stopa hat bei ihrem Wasser festgestellt, dass es sich dunkel bis schwarz verfärbt, seit Chevron nebenan dabei ist, seismische Tests durchzuführen.
"Früher war es gutes Wasser, nun sieht es aus wie Öl", sagt Stopa über die Wasserquellen. "Es ist jetzt seit drei Jahren so, seit die ersten Tests durchgeführt wurden." Im vergangenen Jahr haben die Bürger von Zurawlow Chevron mit einer Blockade von den ersten Förderungsvorbereitungen abgehalten. Grundlage des Protests war ein Gesetz zum Vogelschutz während der Brutzeit.
Mit Traktoren gegen große Trucks
Doch dieses Jahr im Juni kam Chevron erneut nach Zurawlow - diesmal mit Sicherheitspersonal. Ein Zaun um das Gebiet sollte die Demonstranten fernhalten, doch es dauerte nicht lange, bis die zornigen Bewohner wieder auf der Matte standen. Seitdem protestieren mehr als 100 Anwohner täglich und versuchen, Chevron von der Schiefergasförderung abzuhalten. Traktoren blockieren Zugang und Straße zu dem Areal, so dass die schweren Trucks des Energieriesen nicht weiterkommen.
Anwohner sagen, nur für die seismischen Tests gebe es eine Konzession - eine Bohrerlaubnis sei aber im Juni 2012 widerrufen worden. Eine Vielzahl an Dokumenten scheint diese Behauptung zu stützen und zeigt, dass Chevron eigentlich gar keine Erlaubnis hat, mit den Bohrungen zu beginnen. "Chevron wird das nicht zugeben, solange die Regierung sie nicht dazu drängt", sagt eine der wütenden Demonstrantinnen.
Das Energieunternehmen hingegen beteuert, die nötigen Genehmigungen zu besitzen. Um die Demonstranten zu umgehen, hat Chevron kurzerhand begonnen, eine neue Straße zu bauen - zu einem weiteren Areal etwa 10 Kilometer entfernt, in der Hoffnung, dort in Ruhe mit den Bohrungen beginnen zu können.
Aber die Demonstranten in Zurawlow bleiben hart - sie wollen nicht nur, dass Chevron ihre Gegend verläßt; sie wollen, dass sich das Unternehmen ganz aus Polen zurückzieht. Inzwischen holen sich die Demonstranten Rechtsberater zu Hilfe, um sich abzusichern. Aktivisten aus den USA, der Tschechischen Republik und Lettland haben sich ihnen angeschlossen und teilen ihre Erfahrungen über den Abbau von Schiefergas in ihren Ländern.
"Drill baby drill"
Der Filmemacher Lech Kowalski hat die Geschichte der kleinen Stadt seit dem Jahr 2010 dokumentiert. Sein jüngster Film "Drill Baby Drill" vergleicht die Situation der polnischen Bauern mit ähnlichen Problemen in Pennsylvania. "Diese Bauern hier sind die ersten, die ein großes multinationales Unternehmen davon haben abhalten können, Schiefergas zu fördern - so etwas hat es vorher noch nie gegeben. Das ist sehr wichig. Diese Leute hier wollen selbst bestimmen, was mit ihrem Land geschieht", so Kowalski im Gespräch mit DW.
"Es ist deshalb so wichtig, weil sie seit Generationen auf diesem land leben. Sie sind hier verwurzelt, ohne ihr Land können sie nicht existieren. Sie könnten ja das Land verkaufen und in die Stadt ziehen, aber das würde ihre Seele zerstören, und genau deswegen kämpfen sie so hart."
Linie der Regierung nur Propaganda?
Als vor zwei Jahren der Bericht über den unerwarteten Rohstoffsegen veröffentlicht wurde, waren die Reaktionen überschwänglich. Der Gedanke, dass man den Energiebedarf für die nächsten 300 Jahre abdecken könne und nicht länger von Gasimporten aus Russland abhängig wäre, war verlockend.
Doch bislang haben die Probebohrungen die hohen Erwartungen tief enttäuscht. Neue Schätzungen deuten eher darauf hin, dass die Reserven an Schiefergas für 26 bis 70 Jahre reichen könnten. Eine Reihe großer Energieunternehmen wie Exxon, Talisman und Marathon haben ihre Pläne aufgrund von Unrentabilität aufgegeben.
Derzeit kommen etwa zwei Drittel des polnischen Gasimportes vom russischen Energieriesen Gazprom - zu einem der höchsten Preise in ganz Europa. Einer der Demonstranten, Andrze Bak, glaubt, dass die Regierung diese Sorge um zu große Abhängigkeit von Russland ganz bewusst ausnutzt, um in der Öffentlichkeit Unterstützung für das umstrittene Fracking zu gewinnen.
Doch Fracking würde keinesfalls zügig zu jener Unabhängigkeit führen, glaubt Bak. "Polen hat mit Russland einen Vertrag bis 2037 geschlossen." Zudem mache Gas nur einen kleinen Anteil desEnergiebedarfs des Landes aus. "Wir haben Energie aus Kohle, Wasser und Wind. Also ist die offizielle Linie nur Propaganda und sie wird nur benutzt, um die Leute dazu zu bekommen, Fracking zu unterstützen."