Gutachten: Berlin muss Reparationen zahlen
11. September 2017Nach einer Expertise des polnischen Parlaments stehen Polen Entschädigungen von Deutschland für die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg zu. In dem 40-seitigen Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Sejm, dem Unterhaus des Parlaments, heißt es: "Es ist legitim zu sagen, dass die Republik Polen einen Anspruch auf Entschädigungen von der Bundesrepublik Deutschland hat."
Die Berliner Bundesregierung weist dies zurück. Regierungssprecher Steffen Seibert hatte zuletzt erklärt, Deutschland stehe zu seiner Verantwortung für die "unfassbaren Verbrechen" des Zweiten Weltkriegs. Dafür seien Entschädigungszahlungen an Polen geleistet worden. Darüber hinaus leiste Deutschland weiter Zahlungen für die Folgen des NS-Unrechts, so Seibert.
Kein Anlass für Zweifel
Polen habe jedoch 1953 auf weitere Forderungen verzichtet und dies später mehrfach bestätigt. Für die Bundesregierung gebe es "gar keinen Anlass", an der völkerrechtlichen Wirksamkeit des Reparationsverzichts zu zweifeln, führte der Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel aus. Aus deutscher Sicht sei die Frage damit abschließend geregelt.
Dazu heißt es nun in dem Warschauer Gutachten: "Die Behauptung, dass die Ansprüche abgelaufen oder verjährt seien, ist unbegründet." Die Erklärung der damaligen kommunistischen Regierung von 1953 über den Verzicht auf Reparationszahlungen sei verfassungswidrig gewesen und nur auf Druck der Sowjetunion erfolgt. Außerdem habe sie nur die DDR betroffen.
Warschau zögert mit offiziellem Standpunkt
Mitglieder der polnischen Regierung haben sich in den vergangenen Wochen immer wieder für Forderungen an Deutschland ausgesprochen. Die nationalkonservative Regierungschefin Beata Szydlo hatte betont: "Polen stehen Reparationen zu, wir sind bereit, sie einzufordern."
Außenminister Witold Waszczykowski sagte nach der Veröffentlichung des Parlamentsgutachtens, es seien weitere Untersuchungen sowie eine Analyse der Verluste Polens während des Zweiten Weltkriegs notwendig, bevor die Regierung einen offiziellen Standpunkt einnehme.
Das Gutachten hatte ein Abgeordneter der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) beim wissenschaftlichen Dienst in Auftrag gegeben. Eine aktuell offene Entschädigungssumme wird darin nicht genannt.
uh/ml (dpa, kna)