Portugal in tiefroten Zahlen
29. April 2010Portugal schreibt tiefrote Zahlen. Bei einem Haushaltsdefizit von 9,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes im vergangenen Jahr ist es kein Wunder, dass an den Finanzmärkten Parallelen zu Griechenland gezogen werden. Doch auf den zweiten Blick sieht die Lage in Lissabon entspannter aus als in Athen. Mit Staatsschulden von insgesamt 76,8 Prozent liegen die Portugiesen nur knapp über dem Niveau Deutschlands. Griechenland kam dagegen Ende 2009 bereits auf 115 Prozent Schulden.
Sparprogramm wird vorgezogen
Dennoch muss Portugal handeln. Das Land muss immer höhere Risikoaufschläge auf seine Anleihen bezahlen. Lag der Zinssatz vor ein paar Jahren noch auf dem Niveau deutscher Bundesanleihen, so muss die portugiesische Regierung seit der Griechenland-Krise satte 5,5 Prozent Zinsen zahlen – mehr als doppelt so viel wie die deutsche Regierung. Auf lange Sicht wird es damit immer schwieriger, die Staatsfinanzen zu sanieren. Und so trafen sich bereits am 28. April der sozialistische Ministerpäsident José Sócrates (PS) und der Chef der konservativen Opposition Pedro Passos Coelho (PSD) um Einigkeit zu demonstrieren. In erster Linie ein Zeichen an die Märkte, da Sócrates im Parlament keine absolute Mehrheit hat und auf die Hilfe der Opposition angewiesen ist. Regierung und Opposition wollen nun gemeinsam im Kampf gegen die Schuldenkrise zusammenarbeiten. "Ich habe Pedro Passos Coelho deutlich gemacht, dass die Regierung Willens ist, einige Maßnahmen, die in unserem Stabilisierungs- und Wachstumsprogramm erst für die nächsten Jahre geplant waren, auf das Jahr 2010 vorzuziehen", sagte Sócrates. Das Haushaltsdefizit soll so bis 2013 Schritt für Schritt auf unter 3 Prozent zurückgeführt werden.
Flächenbrand verhindern
In den vergangenen Monaten hatte die Regierung bereits angekündigt, den Spitzensteuersatz erhöhen, zusätzliche Autobahnen mautpflichtig machen und Frühverrentungen im Öffentlichen Dienst erschweren zu wollen. Zusätzlich will sie nun Sozialhilfe-Zahlungen schärfer auf Missbrauch überprüfen. Arbeitsministerin Helena André schlug vor, das Arbeitslosengeld um bis zu 25 Prozent zu kürzen. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass der griechische Flächenbrand auf Portugal überspringt. Rui Jorge, Volkswirt und Journalist der portugiesischen Wirtschaftszeitung Jornal de Negócios sagte, dass Portugal vermutlich einige Vorteile im Vergleich zu Griechenland und Spanien habe. Im Gegensatz zu Griechenland gebe es in Portugal keine gewalttätigen Demonstrationen und Wiederstand gegen die Entscheidungen der Regierung. "Im Vergleich zu Spanien ist es ein Vorteil, dass es in Portugal keine Blase am Immobilienmarkt gab. Der Immobilienboom war ja ein entscheidender Faktor für das spanische Wachstum in den letzten fünf bis zehn Jahren", so Jorge.
Daten aus Lissabon gelten als glaubwürdig
Ein weiterer Vorteil ist, dass die portugiesischen Finanzstatistiken als ehrlich gelten. Während Griechenland die Kriterien für den Eurobeitritt nur durch langjähriges Fälschen der Daten erfüllen konnten, haben sich die Portugiesen den Beitritt damals auch wirklich verdient. Nur im Jahr 2005 hat es Datenmanipulationen gegeben. Nach einem Regierungswechsel musste das Staatsdefizit damals drastisch auf 6 Prozent nach oben korrigiert werden. Seitdem gelten die Zahlen aus Lissabon aber als glaubwürdig.
Hauptproblem Portugals bleibt aber, dass das Land über seine Verhältnisse gelebt hat. Mit dem Beitritt zum Euro waren die Zinsen schlagartig auf mitteleuropäisches Niveau gesunken. Das nährte die Illusion billigen Geldes. Die Portugiesen fingen an auf Pump Autos, Häuser und Elektrogeräte zu kaufen. Vergessen hatten sie dabei aber, dass die Löhne in der Europäischen Währungsunion nicht mehr so stark steigen konnten wie früher zu den Inflationszeiten des Escudo. Während Portugal früher einfach seine Währung abwerten konnte, um wieder wettbewerbsfähig zu werden, geht das heute nicht mehr.
Finanzhilfen aus Europa fließen spärlich
Mit einer aufgeblähten Bürokratie und Unternehmen, die traditionell wenig in Forschung und Entwicklung investieren, hat es Portugal schwer am internationalen Markt zu bestehen. Früher konnten die Portugiesen mit billigen Löhnen punkten, doch spätestens seit der Osterweiterung der EU ist das vorbei. Dazu fließen auch immer weniger europäische Finanzhilfen aus Brüssel nach Portugal. Sie hatten jahrelang die Wirtschaft am Laufen gehalten. Doch das meiste Geld ist nicht sinnvoll angelegt worden: so hat man zwar mehr als 2.300 Kilometer Autobahnen gebaut, aber vergessen die Wirtschaft und den Staatsapparat zu modernisieren.
Autor: Johannes Beck
Redaktion: Monika Lohmüller