Krise in der Regierungskoalition
4. Juli 2013In einer kleinen Kirschlikör-Bar im Herzen der Lissabonner Altstadt treffen sich die Portugiesen nach der Arbeit, um über Alltag, Politik und Fußball zu sprechen. In den vergangenen Tagen drehte sich auch hier alles um die Krise der Regierungskoalition, sagt Manuel Sousa, der Wirt. Sousa ist ein kräftiger Mann mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht und er hält sich mit seiner Meinung nicht zurück: "Die Regierung ist schwach, aber noch schlechter wäre es, wenn sie zurücktreten würde. Denn dann würde die Krise noch schlimmer werden."
Finanzminister tritt zurück
Der Rücktritt von Finanzminister Vítor Gaspar hatte die Krise in der Mitte-rechts-Koalition ausgelöst. Premierminister Pedro Passos Coelho bestimmte eine enge Mitarbeiterin von Gaspar zur neuen Finanzministerin und brüskierte damit den Außenminister und Vorsitzenden der kleineren Koalitionspartei, Paulo Portas. Er hatte sich gegen eine Weiterführung des harten Sparkurses ausgesprochen. Portas trat zurück, Premierminister Passos Coelho dagegen blieb im Amt, obwohl viele politische Beobachter den Rücktritt der Regierung für unausweichlich hielten. So auch der Politikwissenschaftler Pedro Adão e Silva: "Die Vorstellung, dass diese Regierung noch zu retten ist, ist vollkommen absurd. Der Premierminister war schon vor der Krise angeschlagen. Jetzt ist er eine politische Leiche."
Dennoch versuchen die beiden Koalitionsparteien, das Regierungsbündnis neu zu beleben. Passos Coelho und Portas trafen sich noch in der Nacht zu Krisengesprächen. Im Verlauf des Tages empfängt Staatspräsident Cavaco Silva den Regierungschef, um über eine politische Lösung zu beraten. Dahinter steht auch die Angst, dass Portugal ein zweites Rettungspaket benötigen könnte, wenn die politische Stabilität nicht zurückkehrt. Die Lissabonner Börse hatte am Mittwoch (03.07.2013) innerhalb von einem Handelstag rund 3 Milliarden Euro verloren. Die Zinsen auf portugiesische Staatsanleihen stiegen zugleich um bis zu 40 Prozent an.
Druck aus Brüssel
Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso warnte davor, eine politische Krise könne die Sparanstrengungen der Portugiesen zunichtemachen. Doch nicht alle Finanzexperten teilen diese Ansicht. Pedro Lains wirft den internationalen Geldgebern vor, die Portugiesen einschüchtern zu wollen, damit sie nicht auf einen politischen Wechsel im Land drängen: "Das ist eine politische Drohung und Teil eines Machtspiels und einer Strategie, um die Menschen einzuschüchtern. Sie sollen Angst haben vor der Troika und davor, dass der Staat kein Geld hat. In Krisenzeiten ist Angst leider ein ganz normales Phänomen."
Der Wirtschaftsprofessor glaubt, dass der jetzige Zeitpunkt für Neuwahlen in Portugal sogar relativ gut ist. Schließlich müsse Portugal bis Anfang 2014 kein frisches Geld mehr an den Finanzmärkten aufnehmen und eine neue Regierung hätte genügend Zeit, den Haushalt für 2014 vorzubereiten. Zumal die Sozialisten, die in den Umfragen weit vor den Parteien der Regierungskoalition liegen, immer wieder betont haben, dass sie prinzipiell am Spar- und Reformprogramm der Troika festhalten wollen.
Droht Portugal eine neue Protestwelle?
Der Politologe José Maltez bedauert, dass die demokratischen Staaten in Europa mit unterschiedlichen Maßstäben behandelt würden: "Unter normalen Bedingungen hätten wir jetzt Neuwahlen, weil diese Regierung keinerlei Legitimität mehr besitzt. Doch die portugiesische Demokratie lebt in einer Art Protektorat. Das, was gut für die großen Staaten Europas ist, ist noch lange nicht gut für die kleinen Demokratien, die unter gewissen Vorbehalten stehen."
Politische Stabilität kehrt in Portugal wohl auch dann nicht wieder ein, wenn die Regierungskoalition einen gemeinsamen Neuanfang startet. Der kommunistische Gewerkschaftsverband hat bereits für Samstag zu Protesten aufgerufen und die Grüne Partei will ein Misstrauensvotum im Parlament einreichen. Viele politische Beobachter glauben, dass eine Regierung, die nur durch die Angst vor Neuwahlen zusammengehalten wird, nicht die nötige Kraft aufbringen werde, um entscheidende Maßnahmen wie die bevorstehende Staatsreform umzusetzen. Der Politologe Adão e Silva befürchtet, dass Portugal in Zukunft von einer Gruppe Technokraten regiert werden könnte, die im Volk keinen Rückhalt hätten, aber von den internationalen Institutionen gestützt würden: "Europa hat aus der jüngsten Geschichte nichts gelernt. Die technokratischen Regierungen in Italien und Griechenland sind gescheitert. Sie haben nicht nur finanzpolitisch versagt, sondern haben für noch mehr politische Instabilität in ihren Ländern gesorgt."
Zweifel am harten Sparkurs
Eine der Forderungen, die der kleinere Koalitionspartner gestellt hat, damit die Regierungskoalition weitergeführt werden kann, ist der Wunsch nach einem Ende des harten Sparkurses. Damit steht ein Ergebnis der gegenwärtigen Krise in Portugal bereits fest: Mit oder ohne Neuwahlen wird sich Portugal bei der Troika aus EU, IWF und Europäischer Zentralbank bemühen, dass die Defizitziele gelockert und endlich Impulse für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum gesetzt werden.