1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Portugal wandelt sich"

Greta Hamann14. September 2015

Als die Eurokrise in Portugal auf ihren Höhepunkt zu steuerte, blieben sie. Und bauten das junge Landwirtschaftsprojekt "Biovilla" auf. Doch wieviel ist beim Initiator Filipe Alves von seinem Traum geblieben?

https://p.dw.com/p/1GL3j
Filipe Alves vom Projekt Biovilla in Portugal (Foto: DW/Hilke Fischer)
Bild: DW/H. Fischer

Deutsche Welle: Wir haben Sie Ende 2012 besucht. Da waren Sie gerade dabei, Dachziegel auf dem Dach des ersten Hauses zu verlegen. Trotz der Finanz- und Eurokrise herrschte große Aufbruchstimmung in Ihrer Gruppe und Sie sagten uns: "Wir wollen ein Paradies aufbauen." Leben Sie heute - drei Jahre später - in diesem Paradies?

Filipe Alves: Auf jeden Fall sind wir unserem Ziel sehr viel näher als damals. Ich würde sagen wir sind noch immer dabei es aufzubauen. Mittlerweile haben wir ein zweites Haus fertiggestellt, können sogar wie geplant schon die ersten Touristen auf unserem Gelände empfangen. Es gab die ersten Yoga-Retreats und es fanden schon zahlreiche Seminare mit inspirierenden Inhalten statt.

Eines Ihrer Ziele war es auch, sich von ihrem landwirtschaftlichen Anbau selbst versorgen zu können, um unabhängig von krisenbedingten Schwierigkeiten leben zu können. Wie sieht es mit diesem Ziel aus?

Unsere Obstbäume und die Felder wachsen und wir produzieren bereits unsere ersten eigenen Produkte. Wir haben beispielsweise immer frisches Gemüse da. Komplett selbst versorgen können wir uns aber noch nicht. Es muss noch viel passieren, damit dieser Traum wahr wird, aber es passiert. Mit Ausnahme von ein paar Dingen wie Kaffee oder Bananen, die wir nicht produzieren können, werden wir sicherlich in ein bis zwei Jahren soweit sein. Die Natur braucht eben ihre Zeit - gerade was die Obstbäume angeht - und das respektieren wir.

Landwirtschaftsprojekt Biovilla in Portugal (Foto: DW/Hilke Fischer)
Filipe Alves bei der Arbeit auf den Feldern der Biovilla im Jahr 2012Bild: DW/H. Fischer

Auf dem Hof lebt zurzeit nur eine Person aus Ihrem Team fest, Sie leben auf einem Segelboot und auch die anderen Teammitglieder haben eigene Wohnungen. War es nicht auch Ihr Ziel, gemeinsam auf dem Hof zu leben?

Isabella lebt auf dem Hof und kümmert sich größtenteils um die Felder und das Gemüse. Wir sind gerade dabei, zwei weitere Gebäude zu bauen, dann werden fünf weitere Personen aus dem Team auf dem Hof leben können. Im Moment wechseln wir uns immer turnusmäßig ab. Jeder bleibt immer circa eine Woche auf dem Hof und kümmert sich um die Gäste und hilft Isabella mit der Garten- und Feldarbeit.

Wenn Sie auf dem Hof sind, wie sieht dann ein normaler Tag aus?

Also zuerst einmal muss ich sehr früh aufstehen, so gegen sechs Uhr. Dann kümmere ich mich um die Pflanzen, gebe ihnen Wasser und solche Dinge. Danach folgt für mich ein relativ normaler Tag wie in vielen anderen Tourismusbetrieben auch: Ich mache Frühstück für die Gäste, Büroarbeit. Am Nachmittag machen wir immer einen großen Spaziergang mit den Touristen, zeigen ihnen das Naturschutzgebiet, gehen über die Felder, die Berge und abends kochen wir gemeinsam, trinken vielleicht noch etwas Wein und gucken uns gemeinsam die Sterne an.

Portugal Biovilla Farm und Tourismus (Foto: Biovilla)
Mitten im Nationalpark in der Nähe von Lissabon liegt die "Biovilla"Bild: Biovilla

Sie haben es selbst bereits erwähnt: Teil Ihres Projektes war von Beginn an auch der alternative Öko-Tourismus. Was ist denn bei Ihnen anders als bei normalen Hotels?

Zunächst einmal sind wir ja mitten im Nationalpark. Die Landschaft, die Berge, all das ist etwas ganze Besonderes. Viele Leute kommen aber vor allem, weil sie diese Gemeinschaft bei uns erleben wollen. Wir leben zusammen, wir kochen zusammen. Es ist alles etwas anders.

Bei so viel Gemeinschaft, müssen die Gäste auch auf dem Bauernhof mithelfen?

"Wir wollen ein Paradies aufbauen"

Manche wollen das. Dann können Sie einfach aufs Feld gehen und sich holen, was sie gerne möchten. Manche Gäste helfen Isabella sehr viel bei ihrer Feldarbeit. Aber das kann jeder für sich selbst entscheiden.

Zwischen 2009 und 2012, als die Schuldenkrise auch in Portugal auf dem Höhepunkt war, reisten jedes Jahr zehntausende junge Portugiesen aus, Sie sind geblieben. Portugal ist zwar mittlerweile von den Sparauflagen der Troika befreit, hat aber noch immer eine hohe Arbeitslosenzahl und der Wirtschaft geht es auch weiterhin nicht gut. Haben Sie noch immer keine Ambitionen das Land zu verlassen? Sie sind schließlich gut ausgebildet.

Nein, wir denken sogar darüber nach, eine zweite "Biovilla" in Portugal zu gründen. Portugal ist ein wunderschönes Land. Nirgends in Europa gibt es so ein Wetter wie hier, nirgends solch wunderbare Natur. Anstatt das Land zu verlassen, wollen wir die Machtstrukturen vor Ort verändern. Das war schon immer unser Fokus und er wird es auch nach wie vor bleiben.

Haben Sie sich nicht vielleicht einfach nur mittlerweile an den Krisenstatus Ihres Landes gewöhnt, sodass Ihnen die Missstände nicht weiter auffallen?

Den Leuten geht es natürlich noch immer nicht so gut wie vor der Krise. Aber sie haben nicht mehr das Gefühl, einen Strick um den Hals liegen zu haben. Das schlimmste ist vorüber. Und das hat größtenteils mit den Erwartungen der Menschen zu tun. Wir haben mittlerweile wieder Hoffnung, das sieht man auch daran, dass wieder mehr investiert wird. Natürlich geht noch immer vieles schief, die politische Korruption hält an, wenige Banken vergeben Kredite. Aber wenn man auf alternative Wirtschaftskonzepte wie unseres schaut, dann sieht man einen riesigen Wandel, der gerade stattfindet.

Filipe Alves ist Wirtschaftswissenschafter. Zurzeit promoviert er zum Thema Klimawandel und dem Einfluss alternativer Währungssysteme. Er lebt auf einem Segelboot. Sein Ziel ist es, sich eines Tages komplett selbst versorgen zu können. Alves war Teil des Gründerteams der "Biovilla" im Jahr 2012. Ende des Jahres besuchte das Plan-B-Team der Deutschen Welle die Jungbauern. Für den Kauf des Grundstückes und den Bau des Bauernhofes erhielt die Gruppe Fördergelder der EU in Höhe von rund 300.000 Euro.