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PolitikAsien

Präsidentschaftswahlkampf: Schlammschlacht in Südkorea

Martin Fritz
29. Januar 2022

Gegenseitige Korruptionsvorwürfe dominieren den südkoreanischen Präsidentschaftswahlkampf. Politische Inhalte fallen weniger stark ins Gewicht.

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Südkorea Der oppositionelle Präsidentschaftskandidat Yoon Suk-yeol  von der People Power Party
Yoon Suk Yeol mit Anhängern von der People Power PartyBild: Yonhap News Agency/picture alliance

Seit jeher umwabert der faulige Geruch der Korruption das Blaue Haus, den Präsidentenpalast in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. So wanderte ein enger Mitarbeiter von Amtsinhaber Moon Jae In für zwei Jahre ins Gefängnis: Er hatte im vorigen Präsidentenwahlkampf die öffentliche Meinung zugunsten von Moon durch illegale Absprachen mit prominenten Bloggern zu beeinflussen versucht. Die vorige Präsidentin Park Geun Hye saß wegen Korruption und Machtmissbrauch fast fünf Jahre hinter Gittern, bis Moon sie vor kurzem begnadigte. Den 80-jährigen Lee Myung Bak, Präsident zwischen 2008 und 2013, schickte ein Berufungsgericht im Februar 2020 für 17 Jahre in eine Haftzelle, unter anderem wegen Korruption.

Die drei Präsidentschaftskandidaten
Gemeinsamer Auftritt der Kandidaten zum Neujahrsfest: Yoon Suk Yeol, Ahn Cheol Soo und Lee Jae Myung (von links) Bild: YONHAPNEWS AGENCY/picture alliance

Bisher wurden solche Vorwürfe erst im Laufe einer Präsidentschaft erhoben. Nun erlebt Südkorea schon vor der Neuwahl des Präsidenten am 9. März, dass die Spitzenkandidaten in einem Sumpf aus Korruptionsvorwürfen stecken. Sowohl der Konservative Yoon Seok Youl als auch der Liberale Lee Jae Myung dementieren zwar jede Verfehlung. Aber der Wahlkampf ist zur Schlammschlacht ausgeartet: Das Oppositions- und das Regierungslager hören nicht damit auf, die andere Seite in den Dreck zu ziehen. Frei nach dem Motto: Irgendetwas wird bei den Wählern schon hängenbleiben.

"In den Augen der Bevölkerung gefährden Gerichtsverfahren und Verdachtsfälle in ihrem direkten Umfeld oder in der eigenen Vergangenheit die Integrität von Yoon und Lee", kommentiert Thomas Yoshimura, Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Südkorea, die Entwicklung.

Beschädigte Glaubwürdigkeit

Der Kandidat der konservativen Oppositionspartei People Power Party, Yoon, zog als Saubermann in die Wahlschlacht, weil er als damaliger Sonderermittler die vorherige Präsidentin Park ins Gefängnis gebracht hatte. Doch der 61-Jährige muss sich inzwischen des Verdachts erwehren, in seiner Zeit als Generalstaatsanwalt einen Untergebenen begünstigt zu haben, der vor der letzten Parlamentswahl Strafanzeigen gegen Politiker der Regierungspartei Minju gestellt hatte. Yoon wird unterstellt, er wollte der Regierungspartei Schaden zufügen, bevor er selbst politische Ambitionen entwickelte.

Auch enge Angehörige schadeten seinem Ruf: Seine Schwiegermutter wurde zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie für ein illegal errichtetes Krankenhaus staatliche Gelder erhalten hatte. Seine Frau Kim Keon Hee, eine Kunstkuratorin, gab zu, ihren Lebenslauf teilweise geschönt zu haben.

Südkorea Cheong Wa Dae Blaues Haus Präsidentenpalast
Präsidentenpalast ("Blaues Haus") in SeoulBild: YNA/dpa/picture alliance

Währenddessen macht seinem Hauptgegner, dem früheren Gouverneur Lee Jae Myung von der progressiven Regierungspartei Minju, die Untersuchung eines Bauentwicklungsprojektes mit öffentlicher Beteiligung zu schaffen. Als Bürgermeister von Seongnam, einem Vorort von Seoul, hatte Lee das Projektdesign selbst entworfen. Doch ein enger Mitarbeiter in der städtischen Entwicklungsgesellschaft wurde kürzlich wegen Untreue und Bestechlichkeit angeklagt. Zwei andere Beteiligte begingen im Dezember Selbstmord.

Eine Anhörung im Parlament überstand Lee unbeschadet. Aber die Korruptionsvorwürfe nagen an seiner Glaubwürdigkeit - der 57-Jährige profitierte bisher von seinem Image, sich aus extremer Armut nach oben gearbeitet zu haben und nicht zum Establishment zu gehören.

Parteien hadern mit Kandidaten

Lange Zeit hatte der konservative Yoon die Umfragen angeführt. Sein Vorsprung spiegelte die Wechselstimmung in Südkorea wider, die sich bereits in den klaren Siegen der Opposition bei den Kommunalwahlen und vor allem bei den Bürgermeisterwahlen in den beiden größten Städten Seoul und Busan im Frühjahr 2021 gezeigt hatte. Doch seit Dezember zeichnet sich kein klarer Favorit mehr ab. Daher wechselte Yoon zum Jahreswechsel sein Wahlkampfteam aus.

"Die Kampagne von Yoon leidet unter einer anhaltenden Uneinigkeit mit und in der People Power Party", analysiert Yoshimura. "Lee wiederum fehlt der uneingeschränkte Rückhalt seiner Minju-Partei, in der Anhänger von Präsident Moon weiterhin wichtigen Einfluss haben." Der amtierende Präsident darf bei der Wahl nicht mehr antreten, die Verfassung erlaubt keine zweite Amtszeit.

Ein Mann mit Maske lässt sich die Haare kurz scheren
Kleinunternehmer protestieren mit radikalem Haarschnitt gegen COVID-Einschränkungen und mangelnde StaatshilfenBild: Jong-Hyun Kim/AA/picture alliance

Durch die gegenseitigen Anschuldigungen sind politische Unterschiede auf der Strecke geblieben. Yoon will Südkorea als demokratische Industrienation positionieren, die sich für eine freie und offene regionale Ordnung einsetzt. Im Umgang mit Nordkorea forderte der konservative Spitzenkandidat, die Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel stärker voranzutreiben und sich mehr für die Menschenrechte der Nordkoreaner einzusetzen.

Dagegen legt Lee seinen Fokus auf den sozialen Ausgleich und plädiert insbesondere für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Doch für die meisten Schlagzeilen sorgte sein Vorschlag, dass die Krankenkasse die Kosten für die Behandlung von Haarausfall übernehmen soll. Allerdings schätzen viele Wähler die Erfahrungen von Lee als Politiker im Unterschied zum Neuling Yoon.

Knapp sechs Wochen vor der Abstimmung werden in Südkorea bereits verschiedene Szenarien für den Wahlausgang durchgespielt. Als Zünglein an der Waage gilt der frühere Unternehmer Ahn Cheol Soo. Der 59-jährige Chef der oppositionellen People's Party liegt in den Umfragen mit etwa zehn Prozent an dritter Stelle. Daher diskutieren die Medien eine mögliches gemeinsames Taktieren zwischen den beiden konservativen Kandidaten: Würde Ahn zugunsten Yoons einen Rückzieher machen, könnte dieser die Wahl wohl gewinnen. Aber auch eine umgekehrte Variante - ein Rückzieher von Yoon zugunsten von Ahn - wird nicht mehr ausgeschlossen, auch wenn sie als weniger wahrscheinlich gilt.