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Pravit Rojanaphruk: "Die Proteste werden weitergehen"

Rodion Ebbighausen27. Dezember 2013

Seit zwei Monaten erschüttert eine politische Krise Thailand. Die Opposition fordert den Rücktritt der demokratisch gewählten Ministerpräsidentin Yingluck. Sie hat Neuwahlen anberaumt, aber die Proteste gehen weiter.

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Porträt - Pravit Rojanaphruk
Bild: privat

Deutsche Welle: Die thailändische Regierung um Premierministerin Yingluck und die Opposition kämpfen seit zwei Monaten um die Macht. Wer von ihnen hat größere Chance, sich bei der unübersichtlichen politischen Lage durchzusetzen?

Pravit Rojanaphruk: Ich sehe nicht, dass eine der beiden Seiten einen endgültigen Sieg erringen könnte. Die thailändische Gesellschaft ist tief gespalten und beide Lager haben gleich viel Einfluss, wenn auch aus anderen Gründen. Das erklärt, warum keine der beiden Seiten seit dem Militärputsch von 2006 endgültig besiegt wurde. 2006 war der damalige Ministerpräsident Thaksin Shinawatra gestürzt worden, was aber nicht das Ende seines politischen Einflusses bedeutete. Heute ist seine Schwester Yingluck Interimspremierministerin. Keine Seite wird sich in der nächsten Zeit durchsetzen.

Wie schätzen Sie die Chancen auf einen Kompromiss ein?

Die Möglichkeit für einen Kompromiss besteht immer. Aber zurzeit wollen beide Seiten nicht einmal miteinander sprechen. Vielleicht wird es erst dann einen Kompromiss geben, wenn noch mehr Schäden in Thailand entstehen - so bedauerlich das ist. Mehr Tote und Verletzte sind nicht auszuschließen.

Premierministerin Yingluck hat bereits Neuwahlen und die Bildung eines Reformrates angeboten. Aber die Opposition lehnt das ab. Gibt es überhaupt noch Bewegungsmöglichkeiten für die Regierung?

Es gibt noch kleine Räume für Manöver. Dennoch glaube ich, dass noch mehr Schaden für die Gesellschaft entstehen wird. Beide Seiten werden dann hoffentlich den Druck derjenigen zu spüren bekommen, die nicht zu einem der beiden Lager gehören. Das kann zu einem Kompromiss führen. Aber erst, wenn Thailands Wirtschaft, Sicherheit und Ordnung noch mehr gelitten haben. Das wird einige Zeit beanspruchen.

Bis heute haben weder der König noch das Militär klare Stellung bezogen. Gibt es Anzeichen dafür, dass sich das in der nächsten Zeit ändern könnte?

Das Militär wird erst eingreifen, wenn es viele Tote gibt, wie etwa 2010. Das Militär greift nicht ein, weil es weiß, dass es Millionen Unterstützer der Regierung gibt, die bereit wären, sich einer militärischen Intervention entgegenzustellen. Die Unterstützer der Regierung sind sehr gut organisiert. Ein Eingreifen wird es also nur dann geben, wenn es zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen kommt. Allerdings: eine Intervention des Militärs würde die Probleme langfristig nicht lösen.

Der thailändische König ist 86 Jahre alt und gebrechlich. Wir erwarten nicht, dass er sich öffentlich zu den Ereignissen äußert. Unter den Demonstranten gibt es viele Royalisten. Sie sind sehr besorgt über die Zukunft der thailändischen Monarchie. Viele Demonstranten glauben, Thaksin und Yingluck seien gegen die Monarchie. Sie fragen sich, was aus Thailands Monarchie nach dem Tod des Königs wird. Die Tatsache, dass die thailändischen Medien nicht kritisch über die Monarchie berichten dürfen (wegen des strengen Majestätsbeleidigungsgesetzes, Anm. d. Red.), haben diese Befürchtungen gestärkt.

Werden die Neuwahlen, die für den 2. Februar angesetzt sind, Frieden und Stabilität bringen?

Ich denke, dass die Wahlen eine Chance sind. Wenn zum Beispiel viele Menschen nicht wählen gingen - sagen wir weniger als 50 Prozent der Wahlberechtigten - wird es fast automatisch eine Diskussion über die Legitimität der Regierung geben. Dann muss etwas geschehen. Das würde fast schon auf natürlichem Wege zu Reformen führen. Ein anderes Szenario sind weitverbreitete Unruhen, insbesondere in Bangkok und im Süden, den Hochburgen der Opposition.

Die Antwort ist also: Ja und Nein. Vermutlich will der Großteil der Bevölkerung die Wahlen. Aber die Wahlen selbst sind nicht die Lösung, sondern ein Teil der Lösung, die weiterführender sein muss. Wichtig ist der Beginn eines Dialogs und der Kompromiss zwischen beiden Lagern.

Pravit Rojanaphruk ist ein bekannter thailändischer Journalist. Er arbeitet unter anderem für "The Nation". "The Nation" ist neben der "Bangkok Post" die zweite große englischsprachige Zeitung Thailands.

Das Interview führte Rodion Ebbighausen.