1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

ICC richtet über Terror-Chef

Bernd Riegert22. August 2016

Von afrikanischen Machthabern wird er oft als einseitig kritisiert. Jetzt hat der Internationale Strafgerichtshof ein Verfahren gegen den Terroristenanführer Al Mahdi aus Mali eröffnet. Diesmal geht es um Kultur.

https://p.dw.com/p/1Jjpo
Ahmad Al Faqi Al Mahdi Prozess Den Haag Strafgerichtshof Weltkulturerbe
Ahmad Al Faqi Al Mahdi zeigt sich am ersten Prozesstag weiterhin geständigBild: picture-alliance/dpa/P.Post

Im Juli 2012 zerstörte die islamistische Terrorgruppe "Ansar Dine" in der malischen Stadt Timbuktu historische Lehmbauten und religiöse Stätten, die zum Weltkulturerbe der Vereinten Nationen gehörten. Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag sieht diese Taten als Kriegsverbrechen an. An diesem Montag hat der Prozess gegen den geständigen Anführer der Terroristen, Ahmad Al Faqui Al Mahdi, begonnen. Das Verfahren ist für den ICC, der sich bislang mit Verbrechen gegen menschliche Opfer beschäftigte, außergewöhnlich.

Der Angeklagte hat auch im Gericht sein Geständnis, an der Vernichtung der Mausoleen in Timbuktu im Sommer 2012 beteiligt gewesen zu sein, wiederholt. Er bereue seine Tat und bitte um Vergebung. Das teilte das Gericht in Den Haag via Twitter mit.

"Dieser Prozess ist in mehrerer Hinsicht eine Premiere: Es ist der erste, der sich mit Mali befasst. Es ist das erste Mal, dass ein Angeklagter sich vor dem ICC schuldig bekennt. Und es ist das erste Mal, dass die Zerstörung von kulturellen Monumenten als Kriegsverbrechen behandelt wird", sagte die Sprecherin des Gerichts in Den Haag, Oriane Maillet, der DW. Die Ankläger rechnen mit einem schnellen Prozess. Nach nur einer Woche soll das Urteil stehen, vorausgesetzt der Angeklagte bleibt bei seinem Geständnis. Damit nichts schief geht, wollen die Richter den Anführer der Terrorgruppe noch einmal ausdrücklich belehren, welche Folgen sein Eingeständnis der Schuld haben wird. Ein Strafmaß hat die Anklage noch nicht beantragt, aber mit einer mehrjährigen Haftstrafe muss Al Mahdi wohl rechnen.

Mali Timbuktu Weltkulturerbe Zerstörung AKTUELLES BILD
Dieser Schrein in Timbuktu gehörte zum Weltkulturerbe und wurde im Juli 2012 von Islamisten zerstörtBild: Getty Images

Ein Gericht nur für Afrika?

So einfach wie dieser Prozess laufen die übrigen Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof üblicherweise nicht ab. In diesem und im vergangenen Jahr mussten zwei Prozesse gegen Politiker aus Kenia eingestellt werden, offiziell aus Mangel an Beweisen. Bislang haben die Richter, die von den Mitgliedsstaaten des Gerichts gewählt werden, 14 Fälle abgeschlossen, nur zwei endeten rechtskräftig in Haftstrafen. 31 Verfahren laufen noch. Sämtliche Angeklagte waren bislang Afrikaner aus den verschiedenen Konfliktherden von Kongo über Sudan bis nach Libyen. Die Außenministerin Ruandas, Louise Mushikiwabo, beklagte schon Anfang des Jahres in der Deutschen Welle, dass das Gericht ohne Zweifel ausschließlich für Afrikaner geschaffen wurde. "Es wird hauptsächlich von Europa dafür genutzt, afrikanische Politik zu manipulieren. Wo ist der weiße Mann, der von diesem Gericht verurteilt wurde? Wollen Sie mir sagen, das es in Ländern, wo die Menschen hellere Haut haben, keine Verbrechen gibt?", sagte Louise Mushikiwabo. Ruanda ist allerdings nicht Mitgliedsstaat des Gerichtshofes.

Zuständig nur für Mitgliedsländer

Der ICC hat derzeit 124 Mitgliedsstaaten, davon rund ein Viertel aus Afrika. Richten können die Mitarbeiter des ICC nur über Staaten oder Staatsangehörige von Staaten, die das Statut des Gerichts ratifiziert haben. Viele wichtige Staaten wie die USA, Russland oder China lehnen das Gericht ab. Viele Länder, die in Konflikte verwickelt sind, wie Israel, Irak oder Syrien haben den Vertrag zum ICC ebenfalls nicht unterschrieben oder ratifiziert. "Das Gericht sorgt sich um alle Verbrechen, die rund um die Welt verübt werden. Wenn man sagt, das Gericht fokussiert sich allein auf Afrika, dann betrachtet man das durch die falsche Linse. Wir haben uns auf Verbrechen gegen afrikanische Opfer konzentriert bis jetzt. Das ist ein Unterschied. Außerdem laufen jetzt Ermittlungen für ein Verfahren in Georgien und es gibt Vorermittlungen in anderen Fällen rund um den Globus", sagt ICC-Sprecherin Maillet. In der Tat ermittelt die gambische Chefanklägerin des Gerichts, Fatou Bensouda, auch im Irak, Venezuela oder Afghanistan. Zu Verfahren hat es bislang aber nicht gereicht.

Schwache Rechtssysteme in Teilen Afrikas

Dass sich der ICC hauptsächlich mit Afrika beschäftigt, habe viele Gründe, argumentiert Elise Keppler von der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch". Mit Rassismus habe das wohl weniger zu tun als mit der Tatsache, dass viele der Konflikte mit schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit sich eben in Afrika abspielten. Außerdem seien die Rechtssysteme in Afrika eher schwach. "Der ICC mag seine Probleme haben", schreibt Afrika-Expertin Keppler in einer Analyse, "aber in Abwesenheit von fähigen nationalen Gerichten bleibt der ICC der einzige Weg, Verantwortliche auch in hohen Regierungsämtern für ihre Taten zur Verantwortung zu ziehen." Der Präsident von Ghana, John Mahama, forderte im Gespräch mit der DW bereits im vorigen Jahr, dass amtierende afrikanische Staats- und Regierungschefs vom Internationalen Strafgerichtshof nicht verfolgt werden sollten. Diese Immunität ist laut den Statuten des Gerichts aber ausdrücklich ausgeschlossen. "Der ICC ist relevant, aber wir müssen die afrikanischen Ansichten berücksichtigen. Afrika fühlt sich angegriffen, ob nun zu recht oder nicht. Nur afrikanische Führer werden vor dem ICC angeklagt", sagte der ghanaische Präsident.

John Dramani Mahama bei Conflict Zone
Präsident Mahama: Afrika fühlt sich verfolgtBild: DW

Die letzte Zuflucht

In der Afrikanischen Union (AU) konnte sich John Mahama nicht durchsetzen. Es gab auf dem letzten Gipfeltreffen der AU im Juli 2016 keine Aufforderung an afrikanische Staaten, den Vertrag zum ICC massenhaft zu kündigen. Kenia will diesen Schritt tun, aber Nigeria, Senegal, die Elfenbeinküste, Tunesien und andere sind dagegen. Der Gerichtshof selber weist wegen der Kritik an seiner Arbeit gerne darauf hin, dass er bis auf Ausnahmen nur Fälle behandelt, die ihm von betroffenen afrikanischen Staaten oder dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vorgelegt wurden. "Wir ermitteln nur, wenn das Rechtssystem eines Staates in angemessener Weise dazu nicht in der Lage ist. Darum bezeichnen wir uns als das Gericht der letzten Instanz oder der letzten Zuflucht", so die Sprecherin des Gerichts. Im aktuellen Fall aus Mali hat übrigens das Land selbst den Prozess gegen den geständigen Terror-Chef Ahmad Al Mahdi in Den Haag beantragt.