Premierensieg für Leipzig bei den Spurs
20. Februar 2020Als es für Leipzig geschafft ist, gibt es einen flüchtigen Händedruck im Vorbeigehen zwischen Julian Nagelsmann und José Mourinho. Nach dem 0:1 (0:0) aus Sicht der Spurs gratuliert "The Special One" dem "Youngest One" - was aber kein neuer Spitzname für Nagelsmann werden wird, sondern ein Prädikat, dass er seit diesem Abend in London tragen darf. Mit 32 Jahren ist er der jüngste Coach, der jemals in der K.o.-Phase der Königsklasse an der Seitenlinie stand. Elegant, im dunklen Kurzmantel, verfolgte er das Spiel seines Teams, von dem er sich einen "gewissen Grad an Verrücktheit" erhofft hatte.
RB mit starker erster Halbzeit
Doch so verrückt wirkte das Spiel seiner Leipziger nicht, sondern wie erwartet: temporeich, technisch stark und mit klarem Zug zum Tor. Schon in den ersten Minuten standen die Gastgeber aus Tottenham unter Hochdruck. Keeper Hugo Lloris und der Pfosten bewahrten die Spurs vor einem frühen Rückstand. Nagelsmanns taktische Vorgabe bei eigenem Ballbesitz mit Dreierkette zu agieren funktionierte. In der ersten Hälfte hatte sein Team dadurch im Mittelfeld ein klares Übergewicht. 63 Prozent Ballbesitz und elf zu zwei Torschüsse kurz vor der Pause sprechen Bände.
Kein Grund also für Nagelsmann in der Halbzeit große Änderungen in seinem Matchplan vorzunehmen. Dementsprechend ruhig verfolgte er, wie es Weltmeister Lloris nach einer knappen Stunde mit Psychospielchen versuchte. Vor seinem Fünfmeterraum stehend fixierte der Tottenham-Keeper Timo Werner mit seinem Blick.
Der Stürmer von RB Leipzig hatte sich schon den Ball zurecht gelegt. Elfmeter. Kurz zuvor war etwas geschehen, das in der Champions League so eher selten zu sehen ist: Ben Davies fällte Konrad Laimer so plump, so eindeutig wie ein Kreisligaspieler. An Werner lag es nun also, diese Chance zu nutzen. Von Lloris stechendem Blick ließ er sich dabei nicht irritieren. Mit einem wuchtigen Flachschuss ins linke Eck verwandelte er sicher (58.).
Mangelnde Chancenverwertung von Leipzig
Sieben Minuten später war dann aber auch für den so abgeklärt wirkenden Jungcoach die Zeit zum Haareraufen gekommen. Werner hatte Patrik Schick mit einem mustergültigen Flachpass freigespielt. Doch dessen Schuss aus zehn Metern war viel zu unplatziert. Lloris parierte. Es war mindestens die dritte absolute Top-Möglichkeit, die die Leipziger liegen ließen. Nagelsmann quittierte es kopfschüttelnd im Gespräch mit seinem Nebensitzer auf der Bank.
Wenn es an diesem Abend etwas an der Leistung seiner Mannschaft zu mäkeln gibt, dann ist es die mangelnde Chancenverwertung. Defensiv machte die Elf wie schon beim Auftritt in München einen stabilen Eindruck. "Es war ein verdienter Sieg", analysierte Nagelsmann später. "Wir hätten gerne höher gewonnen und hatten auch die Chance dazu."
Der Nachweis in Zahlen: Lucas Moura, die einzige Spitze der Gastgeber, kam nach 80 Minuten gerade mal auf 15 Ballaktionen. Kein Spieler auf dem Feld hatte weniger. Ausgerechnet er hatte mit einem Kopfball in der Nachspielzeit noch die beste Chance auf den Ausgleich für Tottenham.
Dementsprechend konnte Julian Nagelsmann nach dem Abpfiff gemeinsam mit seinen Spielern auf dem Feld den Beifall der Leipziger Fans genießen. José Mourinho war da schon lange frustriert in der Kabine verschwunden.