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Marcus Bösch22. Juli 2002

40 Jahre Computer- und Videospiele feiert die Ausstellung "Game On" in London bis Mitte September. Trotz wachsendem Interesse, droht ein wichtiger Teil der Alltagskultur des 20. Jahrhunderts zu verschwinden.

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Pac-Man: 240 Goldmünzen und 3.333.360 mögliche PunkteBild: ATARI

Den frühen Morgen des ersten Weihnachtsfeiertages 1983 verbrachte ich mit einem gelben Staubsauger. Eine Unmenge kleiner Goldmünzen galt es aufzusaugen, ohne dabei von üble aussehenden Monstern gefressen zu werden. Über vier Stunden lang war ich Teil des Videospielsystems Vectrex. Während langsam der Tag anbrach, saß ich wie gebannt vor dem eingebauten schwarz-weiß Monitor, der das Wohnzimmer dank einer farbigen Folie in ein mystisches Grün tauchte.

Vom Pizzabäcker zum Starfighter

Mittlerweile blickt das Genre der Tele- und Computerspiele auf eine 40-jährige Geschichte zurück. Die einen haben in dieser Zeit als Starfighter oder Pizzabäcker die Welt von drohenden Nuklearkatastrophen befreit oder Freundinnen aus den Klauen brutaler Orang-Utans gerettet. Die anderen haben milde gelächelt, die Achseln gezuckt oder die vermeintlichen "Verdummungsmaschinen" verdammt. Henry Jerkins vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) ist sich sicher, dass Computerspiele denselben Weg von Verachtung zur Etablierung gehen wie Film und Jazz.

Das Jubiläumsjahr bietet nun genug Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit der "lebendigsten Kunstform des 21. Jahrhunderts". Der ein oder andere wirs sich ein schön gestaltetes Buch wie "Supercade. A Visual History of the Videogame Age 1971-1984" auf den Kaffeetisch legen und Hipness signalisieren. Natürlich kann man auch auf den Dachboden klettern und nach einer verstaubten Spielekonsole von Atari, Nintendo oder Sega suchen. Am besten bucht man aber einfach bis Mitte September einen günstigen Flug nach London und geht ins Barbican-Kulturzentrum.

Knarzen, Fiepen, Dröhnen

Die Ausstellung "Game On" bietet erstmals einen umfassenden Überblick über 40 Jahre Geschichte und Kultur der Video- und Computerspiele. Unter den 250 Ausstellungsstücken befindet sich auch der legendäre DEC PCP-1. Zwei Mitarbeiter des MIT hatten damit 1962 das erste Computerspiel "Space War" entwickelt, statt wie angeordnet im Sinne der Forschung zu programmieren. "Game On" ist in 14 Themenfelder unterteilt: Von den frühen Spielhallenspielen bis zu neuesten Trends aus Japan. Das Beste: Alle Exponate können von den Besuchern selbst ausprobiert werden.

"Ich hab` Frogger zum letzten Mal 1987 gespielt", äußert sich ein deutscher Designstudent und wendet sich verzückt ab, um sich per Joystick dem digitalen Überqueren einer vielbefahrenen Straße zu widmen. Eine Mutter von zwei Kindern steht weltversunken vor einem Monitor und bemüht sich vergebens als Chefkoch Peter Pepper dem mörderischen Schinkenspeck zu entkommen. Auf drei Stockwerken fiept, knarzt und dröhnt es im Sinne der Veranstalter. Und während man durch die Ausstellung schlendert und zum nächsten "Joypad" langt, begreift man die Notwendigkeit einer solchen Veranstaltung.

Kulturschatz mit Copyright

Ein wenig beachteter Schatz lagert in Kellern und Fabrikhallen. Ein Stück Kulturhistorie des abgeschlossenen 20. Jahrhunderts verschwindet fast ohne Gegenwehr auf dem Haufen der Geschichte. Dabei sind "Computerspiele noch weniger haltbar als Zelluloid", schreibt Computerspielexperte Konrad Lischka und bedauert fehlende Museen und Sammlungen. Ambitionierte Privatprojekte scheitern mit der Archivierung immer noch an fehlenden Geldgebern und nicht zuletzt an Copyrightschwierigkeiten.

Der Vectrex vom Weihnachtsfest 1983 kostet als Sammlerstück bei E-Bay inzwischen mehrere hundert Euro. Der offizielle Verkauf wurde in Deutschland am 31.3.1984 eingestellt. Einen kuriosen Lichtgriffel, der als Zubehör angeboten wurde, suche ich bis heute auf jedem Flohmarkt.

Die Ausstellung "Game On" ist noch bis zum 15.9 in London und von Oktober 2002 bis Februar 2003 in Edinburgh zu sehen. Weitere Ausstellungsorte sind in Planung.