Pressefreiheit à la belge
28. November 2007Vor fünf Jahren hatte der damaligen Korrespondent des deutschen Magazins "Stern" über angebliche Korruption in der EU-Kommission berichtet. Hans-Martin Tillack berief sich auf Aussagen eines ehemaligen Kommissionsbeamten und geheime Dokumente der internen Betrugsbekämpfungsstelle der EU, genannt OLAF.
OLAF vermutete, der Reporter habe Aussagen durch Schmiergeld gekauft und zeigte Hans-Martin Tillack an. Die belgische Polizei nahm den Korrespondenten für einige Stunden fest und durchsuchte seine Büros. 16 Kartons mit Akten, Computer, Handys wurden beschlagnahmt.
Gegen das Vorgehen der belgischen Behörden gingen Tillack und der "Stern" vor Gericht, weil sie den in der EU garantierten Quellenschutz für Journalisten verletzt sahen. Nach drei Jahren schloss sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dieser Auffassung an. Die belgische Polizei habe gegen die Pressefreiheit verstoßen, weil sie versucht habe, Tillacks Informanten zu finden. Die seien aber besonders geschützt. Die Anschuldigungen gegen Tillack seien nur vage Gerüchte gewesen. Die Quittung: Belgien muss dem Korrespondenten, der inzwischen in Berlin arbeitet, 10.000 Euro Schmerzengeld zahlen und 30.000 Euro an Prozesskosten ersetzen.
Eine Klage des Journalisten gegen die Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF selbst, die den Stein ins Rollen brachte, scheiterte im letzten Jahr. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg, das höchste Gericht der Union, billigte das Vorgehen von OLAF.
Der EU-Bürgerbeauftragte hatte sich allerdings auf die Seite Tillacks geschlagen. Auch der Ombudsmann kritisierte, die Betrugsbekämpfer hätten sich nur auf Gerüchte gegen den Korrespondenten gestützt, die ein anderer Journalist in Brüssel gestreut hatte. Tillacks Fall wurde auch vom Medienbeauftragten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, OSZE, in seinem Jahresbericht 2006 behandelt.
Die "Stern"-Chefredaktion freut sich, dass der Name ihres Reporters nun wieder rein gewaschen ist. Hans-Martin Tillack ließ sich nicht einschüchtern und versucht, auch in Berlin investigativ Skandale aufzustöbern. Er wurde für seine Arbeit unter anderem mit dem "Leipziger Medienpreis" geehrt.
OLAF und die belgische Staatsanwaltschaft wissen jetzt (hoffentlich), es lohnt sich nicht, kritische Journalisten und ihre Informanten mundtot machen zu wollen.