Presseschau: "Von Nordkorea nicht provozieren lassen"
6. Juli 2006Zu den jüngsten Raketentests Nordkoreas schreibt die "Neue Zürcher Zeitung" am Donnerstag (6.7.2006):
"Nordkorea bringt sich international wieder ins Gespräch. Nach einer Phase trotziger Dialogverweigerung versucht Pjongjang erneut, militärtechnisch zu sticheln und zu provozieren. (...) Nordkorea liegt nicht im Fokus spezifischer strategischer Interessen der USA und hätte gerade deshalb Chancen, mit konstruktiverem Verhalten und mit Anstrengungen zur Vertrauensbildung mehr für sich herauszuholen. Mit seinen permanenten Sticheleien macht es aber sämtliche potenzielle Dialogpartner nur kopfscheu."
Die Turiner Zeitung "La Stampa" meint:
"Ein ganzer Hagel nordkoreanischer Raketen, von Pjöngjang in nur wenigen Stunden abgeschossen, hat eine internationale Krise zum Ausbruch gebracht. (...) Aber es handelt sich lediglich um ein Feuerwerk, sagen viele Experten: Die Taepodong-2-Rakete ist bereits 40 Sekunden nach dem Start explodiert. Und auch die anderen Tests haben mehr als alles andere die Unfähigkeit des Regimes von Kim Jong II. demonstriert, die Nachbarn Nordkoreas ernsthaft zu bedrohen. Aber bereits die Geste des Raketenabschusses ist Aufsehen erregend, und in den Kanzleien der Regierungen in aller Welt herrscht höchster Alarmzustand."
Die konservative Wiener Zeitung "Die Presse" schreibt dazu:
"Ob Nordkorea Raketen testet, den Atomsperrvertrag aufkündigt oder sich offen zur Atommacht erklärt: Erste harsche Reaktionen benachbarter Staaten und Weltmächte verwandeln sich meist ziemlich schnell in Zugeständnisse. Die Diplomatie, auch die amerikanische, setzte auf Beschwichtigung, um zu vermeiden, dass ein in die Ecke gedrängtes, hochgerüstetes Nordkorea die gesamte Region in den Abgrund reißt. Der Erfolg dieser Beschwichtigungspolitik war ein zweischneidiger. Einerseits konnte dadurch bisher die große Katastrophe verhindert werden. Andererseits aber ist Nordkorea gefährlicher denn je. Denn Interkontinental-Raketen testet nur, wer sie auch mit Atomsprengköpfen bestücken will."
Die konservative französische Tageszeitung "Le Figaro" meint:
"Den nordkoreanischen Diktator Kim irritiert, dass die internationalen Gespräche über sein Atomprogramm seit September 2005 stocken. Also versucht er auf diese Weise, die Dinge mit Blick auf die USA wieder in die Hand zu nehmen. Kim hofft, damit einen direkten Dialog mit der Supermacht zu erreichen, die seinen 'Vorposten der Tyrannei' zur 'Achse des Bösen' zählt. Um auf der internationalen Szene bestehen zu können, verfügt dieses wirtschaftlich danieder liegende und von häufigen Hungersnöten heimgesuchte Nordkorea nur über zwei Instrumente, die Angst verbreiten - seine rudimentären nuklearen Waffen, von denen es offensichtlich über etwa zehn Stück verfügt, und die Raketen, die es herstellt und auch exportiert."
Die britische Tageszeitung "The Guardian" urteilt so:
"Die richtige Antwort wäre eine Neubelebung der Diplomatie. Die Sechs-Parteien-Gespräche zwischen den USA, China, Japan, Russland und den beiden Koreas treten seit November auf der Stelle. Es wird nicht sofort geschehen, aber früher oder später wird Washington direkt mit Pjöngjang sprechen müssen. Dies ist die Zeit für kühle Köpfe und ruhige Analysen, die Zeit, um die Dinge im Zusammenhang zu sehen und gefährliche Rhetorik im Stil der 'Achse des Bösen' zu vermeiden. Oder anders gesagt: Die Zeit, um auf eine kindische Provokation erwachsen zu reagieren."
Zu den nordkoreanischen Raketentests schreibt die
niederländische Zeitung "De Volkskrant":
"Es ist logisch, dass die internationale Gemeinschaft über diese Provokation nicht hinwegsehen kann. Das gilt vor allem für die fünf Gesprächspartner, die im September 2005 mit Nordkorea eine Grundsatzvereinbarung schließen konnten. Aber die Vereinigten Staaten und Japan, die die wichtigste Zielscheibe des nordkoreanischen Zornes sind, handeln vernünftig, wenn sie Südkorea und vor allem China den Vortritt lassen. Sie sind am besten in der Lage, Nordkorea unter Druck zu setzen. Ein schnelles Ergebnis wird das sicher nicht bringen. Aber vorläufig kann sich Washington damit trösten, dass die Taepodong-Rakete nach 40 Sekunden ins Meer stürzte."