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Politik

Private Seenotrettung unter Druck

14. Mai 2019

Ein Gericht hat den Kapitän des Flüchtlingsrettungsschiffs "Lifeline" zu einer Geldstrafe verurteilt. Vor allem Malta und Italien gehen verstärkt gegen private Rettungsschiffe im Mittelmeer vor. Ein Überblick.

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Mittelmeer - Deutsches Rettungsschiff Lifeline - Hunderte Flüchtlinge sitzen auf dem Mittelmeer fest
Bild: picture-alliance/dpa/H. Poschmann

Es ist das neueste Kapitel im Kampf einiger europäischer Staaten gegen NGO-Schiffe im Mittelmeer: Der Kapitän des Flüchtlingsrettungsschiffs "Lifeline" ist in Malta zu einer Geldstrafe in Höhe von 10.000 Euro verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass das Schiff der deutschen Hilfsorganisation "Mission Lifeline" falsch registriert worden war. Auf Twitter kündigte die Organisation an, in Berufung zu gehen. 

Internationale private Seenotretter sehen in den Ermittlungen gegen den "Lifeline"-Kapitän einen weiteren Schritt, die private Seenotrettung europaweit einzudämmen und zu kriminalisieren. Befürworter kritisieren die vor allem von NGOs betriebenen Schiffe dafür, mit Schleusern zu kooperieren und illegale Migration zu befördern. 

Die "Lifeline" hatte im vergangenen Juni mehr als 230 Migranten vor der libyschen Küste aus dem Mittelmeer aufgenommen. Das Schiff durfte erst nach tagelanger Irrfahrt anlegen und wurde dann von maltesischen Behörden beschlagnahmt. Das Gericht in Valletta erklärte nun, dass der Kapitän ein nicht ordnungsgemäß registriertes Boot in maltesische Gewässer gesteuert habe.

Malta hat sich wiederholt geweigert, Migranten von NGO-Schiffen aufzunehmen, und fordert eine gerechte Verteilung der Menschen auf alle EU-Staaten. Auch Italien hat seit dem Amtsantritt der populistischen Regierung vor einem Jahr die Häfen für private Seenotretter weitestgehend geschlossen. Diese Maßnahmen haben die Arbeit mehrerer Nichtregierungsorganisationen mit ihren Rettungsschiffen in den vergangenen Monaten beeinträchtigt. 

Die "Sea-Watch 3" ist nach längerem Ausharren in einem italienischen Hafen wieder auf See unterwegs
Die "Sea-Watch 3" ist nach längerem Ausharren in einem italienischen Hafen wieder auf See unterwegsBild: Getty Images/F. Scoppa

"Sea-Watch 3" - das einzig verbliebene Schiff?

Die deutsche Hilfsorganisation "Sea Watch" betreibt das Rettungsschiff "Sea-Watch 3". Es ist aktuell im Einsatz. Erst am Wochenende war das Schiff von Marseille aus in Richtung Libyen aufgebrochen. Es ist nach eigenen Angaben zeitweise das einzige private Schiff im Mittelmeer, das Migranten aufnehmen will.

Der aktuellen Mission gingen Monate voraus, in denen die Crew nicht in See stechen konnte. Das Schiff lag mehrere Monate im Hafen von Catania in Italien fest. Die italienische Küstenwache hatte Unregelmäßigkeiten bei Sicherheit und Meeresschutz festgestellt. Das Schiff war nach einer Rettungsmission in dem Hafen untersucht worden. "Sea-Watch" sah darin eine Bestätigung für eine - wie die Organisation es selbst nennt - "Kriminalisierungskampagne" gegen Nichtregierungsorganisationen.

Im Januar legte die "Sea-Watch 3" mit 47 Migranten an Bord in Catania in Italien an
Im Januar legte die "Sea-Watch 3" mit 47 Migranten an Bord in Catania in Italien anBild: Getty Images/AFP/F. Scoppa

Zusätzlich wurde nach den Untersuchungen an dem Schiff die Niederlande eingeschaltet, da die "Sea-Watch 3" unter niederländischer Flagge unterwegs ist. Das brachte zusätzliche Probleme für die Schiffsbesatzung. Denn das niederländische Ministerium für Wasserwirtschaft hatte im April plötzlich neue Sicherheitsvorschriften für Rettungsschiffe erlassen. Diese konnte Sea-Watch nicht erfüllen. Dagegen hatte die Organisation geklagt. Ein Gericht urteilte daraufhin, dass die Regeln zwar rechtmäßig seien, aber die Übergangsfrist viel zu kurz gewesen sei. Die neuen Auflagen wurden bis zum 15. August ausgesetzt. Bis dahin kann die "Sea-Watch 3" wieder auslaufen.

Der am Wochenende gestartete Einsatz hat aber bereits zu Reaktionen geführt. Italiens rechter Innenminister Matteo Salvini hat Sea Watch mit der Blockade ihres Rettungsschiffes gedroht. Sollte die Crew vor Libyen Migranten aufnehmen und nach Italien bringen, "werden sie mit allen rechtlichen Mitteln aufgehalten", erklärte Salvini.

Es ist derzeit unklar, ob die "Mare Jonio" noch im Mittelmeer unterwegs ist
Es ist derzeit unklar, ob die "Mare Jonio" noch im Mittelmeer unterwegs istBild: picture-alliance/dpa/Mediterranea/Sea Watch

"Mare Jonio" - das womöglich beschlagnahmte Schiff

Es gibt allerdings womöglich noch ein weiteres privates Schiff, das in internationalen Gewässern im Mittelmeer unterwegs ist: Die "Mare Jonio" der italienischen Hilfsorganisation Mediterranea. Die Besatzung nahm am 10. Mai 30 Menschen vor der libyschen Küste auf. Sowohl die Organisation "Sea-Watch", als auch der italienische Innenminister Matteo Salvini berichteten danach, dass das Schiff von der italienischen Küstenwache beschlagnahmt worden sei. Der Vorsitzende der NGO, Luca Casarini, konnte dies jedoch gegenüber der Nachrichtenagentur AP nicht bestätigen.

Die 30 Menschen, die die "Mare Jonio" aufgegriffen hatte, gingen auf der italienischen Insel Lampedusa an Land. Das Schiff war bereits im März festgesetzt, aber nach einer Woche wieder freigegeben worden. Das italienische Innenministerium soll Ermittlungen gegen die Besatzung wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung angekündigt haben.

Gegen Besatzungsmitglieder der "Iuventa" wird in Italien ermittelt
Gegen Besatzungsmitglieder der "Iuventa" wird in Italien ermitteltBild: Getty Images/A. Solaro

"Iuventa" - das Schiff unter Anklage 

Ebenfalls mit dem Vorwurf der Zusammenarbeit mit Schleusern konfrontiert sieht sich die Organisation "Jugend rettet" mit ihrem Schiff "Iuventa". Der ehemalige Fischkutter liegt seit August 2017 im sizilianischen Hafen Trapani an der Kette und darf nicht auslaufen.

Die Staatsanwaltschaft in Italien ermittelt gegen 20 Crewmitglieder wegen des Verdachts der Beihilfe zur illegalen Migration, eine Anklage wurde noch nicht erhoben. Den Besatzungsmitgliedern drohen bis zu 15 Jahren Gefängnis. Ein Einspruch gegen die Beschlagnahmung der "Iuventa" sei abgelehnt worden, sagt Christoph Stürzekarn von "Jugend rettet". Gegen ihn wird nicht ermittelt.

Während die Besatzungsmitglieder auf eine Anklageerhebung in Italien warten, wurden zehn Crewmitglieder Anfang Mai mit dem Menschenrechtspreis der Paul-Grüninger-Stiftung ausgezeichnet. Den mit 50.000 Schweizer Franken (knapp 44.000 Euro) dotierten Preis erhalten die zehn Crewmitglieder für die Rettung von insgesamt mehr als 14.000 Menschen aus Seenot im Mittelmeer, wie Stiftung und Rettungsinitiative mitteilten.

Nach einer verlängerten Mission ist die "Alan Kurdi" derzeit in der Werft
Nach einer verlängerten Mission ist die "Alan Kurdi" derzeit in einer WerftBild: Getty Images/J. Reina

"Alan Kurdi" und "Aquarius" -  Schiffe außer Gefecht

Nach einem Einsatz, der länger als geplant andauerte, ist auch das Schiff "Alan Kurdi" derzeit nicht im Mittelmeer unterwegs. Es soll ab nächster Woche in einer Werft routinemäßig überprüft werden. Die Kosten dafür sind erheblich, die zuständige Organisation "Sea-Eye" rechnet im schlimmsten Fall mit bis zu 400.000 Euro. Im April hatte das deutsche Schiff für Schlagzeilen gesorgt, weil es ein tagelanges Gezerre darum gab, welcher Staat 62 aus Seenot gerettete Flüchtlinge aufnehmen wollte.

Die maltesische Regierung verweigerte dem Schiff das Anlaufen eines Hafens - erst nachdem sich Deutschland, Frankreich, Portugal und Luxemburg zur Aufnahme der geflüchteten Menschen bereiterklärt hatten, durften die Flüchtlinge von Bord gehen. Den sieben ehrenamtlichen Crew-Mitgliedern wurde allerdings der Zutritt nach Malta verwehrt. Die Helfer wurden dann nach Tunesien gebracht und von dort aus nach Deutschland geflogen. Der Sprecher der Organisation hatte daraufhin von Schikane gesprochen. Die "Alan Kurdi" wird vermutlich bis Juni ausfallen.

Ebenfalls nicht einsatzfähig ist das Rettungsschiff "Aquarius". Ende 2018 wurde die von Ärzte ohne Grenzen (MSF) und SOS Méditerranée betriebene Mission eingestellt.

Immer wieder ertrinken zahlreiche Flüchtlinge im Mittelmeer beim Untergang ihrer oft nicht seetüchtigen Boote, die meisten beim Versuch der Überfahrt von Libyen in die EU. Das UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR spricht deshalb von "der tödlichsten Meeresüberquerung der Welt". Den privaten NGO-Schiffen wird vorgeworfen, dass sie sich nicht an die Gesetze nationaler Gewässer halten und die Zahl illegaler Migranten erhöhen. Das bestreiten die NGOs.