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Pro Asyl: "Verschärfte Abschottung"

Andrea Grunau3. Dezember 2014

Die Bundesregierung will Bleiberecht und Aufenthaltsbeendigung in Deutschland neu regeln. Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl, warnt im DW- Interview vor Willkür und Inhaftierungen.

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Symbolbild: Ausweis für die Duldung (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Die Bundesregierung will das Bleiberecht für Flüchtlinge reformieren, gut integrierte Menschen sollen auf Dauer bleiben können, heißt es. Ist der neue Gesetzentwurf für Pro Asyl eine gute Nachricht?

Günter Burkhardt: Das wäre eine super Nachricht, wenn das in der Praxis auch greifen würde. Eine Bleiberechtsregelung ist im Koalitionsvertrag vorgesehen. Wir kritisieren, dass die Ausländerbehörden das im Einzelfall wieder unterlaufen können. Das ermöglichen Formulierungen in dem neuen Gesetzentwurf. Das Hauptproblem ist jedoch, dass die Liberalisierung gegenüber den hier Lebenden mit einer verschärften Abschottung und einer massiven Verschärfung des Aufenthaltsrechts einhergeht.

Was sind das für Verschärfungen?

Man intendiert, Asylsuchende, die über einen anderen EU-Staat einreisen, in Haft zu nehmen. Man sagt: Wer erhebliche Geldbeträge für einen Schleuser aufgewendet hat, der kommt in Haft. Das sind aber sehr viele, die etwa aus Bulgarien kommen. Es gibt doch keine legalen Wege. Damit eröffnet man die Möglichkeit für eine massive Inhaftierungspraxis. Das Ziel ist, möglichst viele Asylsuchende in andere EU-Staaten zu überstellen. Dazu schafft man sich jetzt das rechtliche Instrument, um inhaftieren zu können.

Aber es gilt doch auch bisher, dass wer über andere Staaten eingereist ist, dorthin wieder zurückgeschickt werden kann, das ist doch der Sinn der Dublin-Verordnung?

Das ist richtig. Nach der Dublin-Verordnung muss jedoch die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise bestehen. Nach der Dublin-Verordnung muss eine Inhaftierung im Einzelfall konkret begründet werden. Dieser Gesetzentwurf enthält Gründe, die nebulös sind und zu einer diffusen Regelung führen, wo Haft ermöglicht wird.

Keinen rechtlich sicheren Status haben die, deren Asylantrag abgelehnt wurde und die geduldet worden sind. Rechnen Sie damit, dass sich für diese Menschen in Deutschland die Verhältnisse bessern?

Da geht es um diejenigen, die zum Beispiel kein Asyl bekommen haben, weil Krieg kein Asylgrund ist. Die Menschen leben lange Jahre hier. Zu Recht hat die Sozialdemokratische Partei im Koalitionsvertrag alles daran gesetzt, dass diese Gruppe ein Bleiberecht erhält, also auf Dauer legal in Deutschland bleiben kann. Das ist ein Riesenfortschritt gegenüber der aktuellen Situation. Aber der Gesetzentwurf sieht vor, dass Ausländerbehörden die Möglichkeit haben, im Einzelfall dieses Bleiberecht zu unterlaufen, indem ein sogenanntes Aufenthaltsverbot verhängt wird. Man sagt, sie haben ihre Ausreisefrist überschritten. Das aber haben doch alle Geduldeten und dann bekommen sie kein Bleiberecht. Das heißt, die politische Leitentscheidung für ein Bleiberecht für lange hier Lebende wird an Ausländerbehörden delegiert, die in Deutschland höchst unterschiedlich mit Geduldeten umgehen.

Porträt Günter Burkhardt, Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl (Foto: dpa)
Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro AsylBild: picture-alliance/dpa

Fürchten Sie, dass manche Bundesländer sagen, die Geduldeten dürfen bleiben und andere, die mehr auf Abschottung setzen, sagen, sie müssen ausreisen?

Noch nicht einmal auf Bundesländer-Ebene sondern auf der lokalen Ebene: Es gibt Ausländerbehörden, die gehen großzügiger mit Geduldeten um und werden eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Es gibt andere, die werden dies restriktiv auslegen. Das kann doch nicht Sinn eines Gesetzgebungsverfahrens sein, dass wir quasi einen Flickenteppich erhalten, wo die Anwendungspraxis einer grundsätzlich positiv intendierten Regelung auseinanderläuft. Dieser Gesetzentwurf muss an vielen Stellen entscheidend entschärft werden, so ist er aus unserer Sicht unannehmbar.

Günter Burkhardt ist Geschäftsführer der Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl.

Das Interview führte Andrea Grunau.