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Probleme in die Zukunft verschoben

Bernd Riegert, Brüssel17. Dezember 2005

Der Finanz-Streit in der Europäischen Union ist beigelegt. Dass das Ergebnis der Brüsseler Verhandlungen den Bedürfnissen der wachsenden Union gerecht werden kann, dürfe jedoch bezweifelt werden, meint Bernd Riegert.

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Bernd Riegert

Nur mit äußerster Mühe gelang es der britischen Ratspräsidentschaft, die ja selber Teil des Problems war, die Gräben zu überbrücken. Tatkräftig mitgeholfen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie stieg auf ihrem ersten EU-Gipfel zur Vermittlerin auf, weil es ihr gelungen war, zu den Streithähnen Tony Blair und Jacques Chirac soviel Distanz zu halten, dass sie beiden als glaubwürdige Mediatorin erschien.

Durch ihren klugen Schachzug, im entscheidenden Budget-Entwurf für die ärmeren Mitglieder wieder draufzusatteln, hat sie zwar für Deutschland und andere Netto-Zahler etwas höhere Beiträge in Kauf genommen, aber schließlich am Ende den gordischen Knoten durchschlagen können. Merkel, die Muster-Europäerin, die allerdings gleich klargemacht hat, dass deutsche Interessen ihr im Prinzip vorgehen.

Landwirtschaft statt Forschung

Ob das Ergebnis der Verhandlungen, nämlich der aus vielen schrägen Kompromissen und Trostpflastern zusammen gezimmerte Haushaltsrahmen tatsächlich den Bedürfnissen der wachsenden Union gerecht werden kann, darf bezweifelt werden. Die Chance, eine wirkliche Reform des in Jahrzehnten wild gewachsenen Geflechts aus Ansprüchen, Gewohnheiten und Gefälligkeiten einzuleiten, haben die Granden der EU leider verpasst.

Die nötigen Reformen auf der Ausgaben-Seite wurden von einer wachsweichen Revisionsklausel abhängig gemacht. Frankreich und Deutschland können ihre Landwirtschafts-Subvention damit leicht bis 2013 retten. Subventionen und Beihilfen werden über 70 Prozent des Haushalts ausmachen. Die Mittel für Forschung, Bildung, Entwicklung wurden sogar gekürzt, obwohl die Staats- und Regierungschefs doch auf einem anderen Gipfel namens Lissabon beschlossen hatten, Investitionen in die Zukunft zu fördern. Genau das hatte sich der britische Ratspräsident Tony Blair im Sommer auf die Fahnen geschrieben. Er ist grandios gescheitert.

Briten-Rabatt zementiert

Auf der Einnahmen-Seite des Haushalts wurde der Briten-Rabatt für viele weitere Jahre zementiert, auch wenn er jetzt nicht mehr ganz so stark ansteigen wird. Der Verzicht, den Tony Blair angekündigt hat, ist immerhin der Einstieg in den Ausstieg aus dem skurilen Rabatt-System.

Viele Probleme haben die Staats- und Regierungschefs in die Zukunft verschoben. Die Kosten für schon beschlossene oder angedachte Erweiterungsrunden auf dem Balkan und um die Türkei finden sich in der mittelfristigen Budget-Planung nicht recht wieder. Nur mit Grausen kann man daran denken, welches Geschacher und Gezänk 2012 ins Haus stehen wird, wenn die immensen Kosten für den dann vermutlich näher rückenden Beitritt der Türkei geschultert werden müssen.

Nur mit größter Mühe hat die EU ihre solidarische Fassade aufrecht erhalten. Immerhin haben die Staats- und Regierungschefs aber demonstriert, dass sie am Ende eines Jahres mit schrecklichen europäischen Enttäuschungen in der Verfassungsfrage, noch zu Beschlüssen fähig sind. Das ist wenigstens etwas.