Propagandakrieg in Europa
13. November 2017Es waren dramatische Töne: Mitte Oktober warnten die Außenminister von acht EU-Mitgliedstaaten - Kroatien, Tschechien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Schweden und das Vereinigte Königreich - in einem Brief an Federica Mogherini vor einer "immer raffinierteren und immer intensiveren" Verbreitung von Desinformation und Propaganda durch "externe Akteure". Deren Hauptziel sei es, "Misstrauen und Unzufriedenheit mit der demokratischen Ordnung zu erzeugen und die EU und EU-Partner zu diskreditieren und somit die europäische Einheit zu schwächen".
Gleichzeitig unterzeichneten 65 europäische Sicherheitsexperten und Parlamentarier aus 21 EU-Ländern eine Erklärung, in der die EU-Außenministerin Federica Mogherini ausdrücklich dafür verantwortlich gemacht wird, dass sie keine geeigneten Gegenmaßnahmen ergreife und Russland nicht als Hauptquelle feindlicher Desinformation bezeichne. Für diese Desinformationskampagne würden gezielt Medien wie die Nachrichtenagentur "Sputnik" und das Medienhaus "RT" (einst Russia Today) als Propagandainstrument eingesetzt.
Ost- und Südosteuropa im Blick
Wie man den Einfluss der russischen Medien eindämmen kann, darüber diskutiert in Brüssel der Rat für Auswärtige Angelegenheiten (FAC). Insbesondere im Blick sind die Länder Ost- und Südosteuropas. Schon 2015 wurde aufgrund einer Initiative des Europäischen Rates eine Task Force für strategische Kommunikation (StratCom) entwickelt, um "laufende russische Desinformationskampagnen" aufzudecken und zu bekämpfen. Als neueste Verbesserung wurde im Herbst dieses Jahres die Einheit StratCom Western Balkans in Betrieb genommen.
"Das Westbalkan-Team arbeitet daran, die EU, ihre Politik und ihre Werte in der Öffentlichkeit in der Region zu fördern", sagt Maja Kocijancic, Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Mogherini. Man möchte die Informationslücken schließen. "Ziel ist, die Vorteile der EU-Integration sowohl den Menschen in den Westbalkan-Ländern als auch in den EU-Mitgliedsstaaten zu vermitteln", so Kocijancic.
Bescheidene Mittel
Allerdings stehen hintern dem Namen StratCom Westbalkan derzeit nur zwei Mitarbeiter, die eng mit StratCom East, einer ähnlichen Task-Force für die östlichen EU-Mitgliedsstaaten, zusammenarbeiten. Sie zusammen bilden die einzige EU-Einheit, die für mutmaßliche Kreml-Desinformationskampagnen zuständig ist. Insgesamt sind das allerdings nur 16 Personen, und in der EU zweifeln viele, dass das ausreicht, um dem russischen Einfluss in verschiedenen Teilen Europas - einschließlich des Westbalkans - zu begegnen.
Deswegen fordern die besorgten Sicherheitsexperten und Politiker eine Stärkung der strategischen Kommunikationsarbeit der EU einschließlich des Westbalkan-Referats von StratCom. Die Mittel für die Eindämmung russischer Propaganda sollen auf mindestens eine Million Euro verdreifacht werden. Zum Vergleich: eine ähnliche Task Force in den USA, das Global Engagement Center, umfasst zurzeit 80 Personen mit genehmigten Mitteln in Höhe von 60 Millionen Dollar.
Traditionelle Verbundenheit
Russland pflegt traditionell gute Beziehungen zu den Ländern Osteuropas und des Balkans und hat in diesen Regionen starke geostrategische Interessen. Einmal stützt sich Moskau dabei auf russischstämmige Minderheiten, insbesondere in den baltischen Staaten, außerdem beruft man sich auf historisch gewachsene besondere Beziehungen zu slawischen und orthodoxen Gemeinschaften in den westlichen Balkanstaaten wie Serbien, Bulgarien oder Mazedonien.
Dort sind Ideen wie "slawische Brüderlichkeit" und "Mutter Russland" tief verwurzelt. Die traditionelle Russophilie in Serbien, einem EU-Kandidaten, gepaart mit der Verbreitung russischer geopolitischer Interessen durch entsprechende Medien haben dazu geführt, dass sich heute ein Drittel der serbischen Bevölkerung eher mit Russland als mit der EU verbünden fühlt.
Eine positive Botschaft vermitteln
"Russische Bindungen an diese Region sind über Jahrhunderte gewachsen und traditionell sehr eng. Aber die beste Strategie, um etwas wirklich zu bewegen und die besten Instrumente, um das umzusetzen, hat die EU", sagt Angelina Eichhorst, Direktorin für die westlichen Balkanländer beim Europäischen Auswärtigen Dienst. "Wir sind da, weil wir denken, dass es für Menschen sowohl in dieser Region als auch in der EU wichtig ist, gemeinsam zu arbeiten, um Frieden und Wohlstand zu erreichen und zu erhalten", so Eichhorst.
Sie gibt damit die in den letzten beiden Jahren in Brüssel eingeführte offizielle EU-Politik wieder. Danach soll die EU stärker vermitteln, was sie für die Region bisher getan hat und weiterhin tut. Diese "positive Rhetorik" fordern nicht nur die EU-Beamten, die sich mit den westlichen Balkanländern beschäftigen, sondern auch die proeuropäischen Regierungen in den Balkanstaaten selbst.