Silvester in Staub und Braus
31. Dezember 2017Den Start ins neue Jahr lassen wir uns ordentlich was kosten. 100 bis 200 Millionen Euro jagen die Deutschen an Silvester in die Luft. Aber damit nicht genug. Denn mit jeder Rakete pfeift eine ganz schön explosive Mischung in den Himmel.
Was steckt in den Feuerwerkskörpern?
Das Herz der Raketen sind die pyrotechnischen Sätze. "Die bestehen circa zu 75 Prozent aus Kaliumnitrat, 15 Prozent Holzkohle, zehn Prozent Schwefel", erklärt Günter Klein-Sommer, Chemiker und Pyrotechniker, in seinem Vortrag über die "Chemie der Pyrotechnik" an der Universität Köln. Je nach erwünschtem Effekt werden noch andere Komponenten hinzugefügt - wie Kupfer-, Barium- oder Strontiumverbindungen. Die färben das Feuerwerk blau, grün oder rot. Alles Chemikalien, die mit viel Energie produziert werden, nur um dann wieder zu verpuffen - so die Kritik der Feuerwerksgegner.
Klein-Sommers Vortrag ist gut besucht. Klar - Feuerwerk fasziniert doch irgendwie jeden, eben nicht nur Chemiker - und nicht erst seit gestern. Erste Knallkörper sollen bereits während der chinesischen Sung-Dynastie (960-1270) gezündet worden sein. Der Mönch Li Toam gilt als Erfinder des Feuerwerks. Dabei stand jedoch der Lärm im Fokus, weniger die Lichteffekte.
Lange Feuerwerk-Historie
Die Feuerwerkskunst selbst soll sich dann im späten 14. Jahrhundert in Italien entwickelt und verbreitet haben. Während das Feuerwerk - "hana-bi" genannt ("Blumen aus Feuer") - in Japan eine Kunstform war und religiösen Zwecken diente, kam es in Europa bei politischen und repräsentativen Veranstaltungen zum Einsatz. 1506 zündete Maximilian I. anlässlich des Reichstags das erste Feuerwerk in Deutschland am Bodensee.
Heutzutage schießen wir zu verschiedensten Anlässen Raketen in die Luft - allen voran zu Neujahr oder zu Feiertagen, bei Massenveranstaltungen wie großen Sportereignissen, Kirmes oder Festivals.
Das Feinstaub-Laster
Dabei kommt einiges zusammen: 2016 entstanden in Deutschland 5000 Tonnen Feinstaub (PM10) allein durch Feuerwerke, so das Umweltbundesamt (UBA). Diese Menge entspricht in etwa 17 Prozent der jährlich im Straßenverkehr abgegebenen Feinstaubmenge. Das Meiste davon erzeugen wir in ein bis zwei Stunden Silvesterfeuerwerk, insbesondere in Ballungsgebieten wie großen Städten. Die winzigen Staubteilchen sind mit dem bloßen Auge gar nicht zu erkennen. "Es ist erwiesen, dass gerade kleine Staubteilchen besonders gesundheitsschädlich sind", schreibt dazu das UBA.
Fragt man die Feuerwerk-Industrie, ist das alles halb so schlimm. Mit dem Feinstaub aus dem Straßenverkehr, sagt Fritz Keller, Consultant im Bereich Umwelt beim Verband der pyrotechnischen Industrie (VPI), kann man den Feuerwerkfeinstaub nicht über einen Kamm scheren. An Silvester seien in erster Linie Schwebstäube in der Luft, die sich in ein paar Stunden wieder legen - wie auch der zeitliche Verlauf einer interaktiven Karte zeigt. "Außerdem lassen sich die Feinstäube, die man vom Auto kennt, nicht mit denen vom Feuerwerk vergleichen", so Keller weiter. Beim Dieselfahrzeug bestehe der Feinstaub zum Großteil aus Rußpartikeln, die mit ziemlich toxischen Substanzen versehen seien, "mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen zum Beispiel. Diese legen sich sozusagen um die Rußpartikel herum und gelangen so in die Atmosphäre."
Vor diesen sogenannten PAK-haltigen Stäuben warnt auch das UBA. Sie lagern sich nicht nur auf dem Boden und auf Pflanzen ab, sondern sind auch für den Menschen schädlich. Laut Umweltbundesamt sind PAKs krebserregend, können das Erbgut verändern und haben fortpflanzungsgefährdende Eigenschaften.
"Beim Feuerwerk dagegen besteht der Feinstaub hauptsächlich aus Salzen. Das ist von der Chemie her etwas ganz anderes", sagt Keller. Verbrennt zum Beispiel Schwarzpulver, entsteht Kaliumcarbonat. "Das zieht sehr schnell die Luftfeuchtigkeit an, klebt zusammen und wird aus der Atmosphäre herausgetragen." Früher hätte man sogar mithilfe von Kaliumsalzen und Pyrotechnik gedüngt und Pflanzungen vor Frostschäden bewahrt. An Neujahr sei dann morgens in der Luft im Regelfall nichts mehr nachweisbar.
Trotzdem wird dazu geraten, den Rauch, der beim Feuerwerk entsteht, nicht direkt einzuatmen. Schon öfter haben Forscher nachgewiesen, dass Raketen und Böller bei Zuschauern zu Atemwegsbeschwerden oder Asthma führen können. Teresa Moreno, die 2010 Studienleiterin bei einer Untersuchung des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Instituts war, rät deshalb, sich beim Zuschauen nach Möglichkeit nicht in die Windrichtung des Rauchs zu stellen.
Kurzzeitige Belastung
Wie schnell die Feinstaubbelastung nach dem Silvesterfeuerwerk wieder abklingt, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Kräftiger Wind hilft, die Stoffe schnell zu verteilen - wie das UBA am Beispiel des hoch belasteten 1.1.2009 und des deutlich weniger belasteten 1.1.2013 zeigt.
Mit dem schlechten Ruf des Feuerwerks wird Klein-Sommer ebenfalls immer wieder konfrontiert. Doch auch er sagt, dass die Feinstaubkonzentration an Silvester in der Spitze zwar sehr hoch ist, am 2. Januar aber kaum noch mehr zu finden sei als vorher. Und wie steht es um die Klimabilanz der Raketen? "Wenn man bedenkt, dass 25 Gramm CO2 auf jeden Deutschen durch Feuerwerk entfallen und 33.000 Gramm CO2 durch Autofahren und Heizen, dann fällt Silvester kaum ins Gewicht."
Wer aber mit guten und umweltfreundlichen Vorsätzen ins neue Jahr starten möchte, der sollte einfach aufs Feuerwerk verzichten und sich an den Raketen anderer erfreuen - das macht auch gleich weniger Müll.
Zu Staub kommt Dreck und Lärm
Nach Silvester bleibt nicht nur der Feinstaub in der Luft, sondern auch einiges an Abfall zurück. Hüllen, Konstruktionsteile und Verpackungen machen 60 bis 75 Prozent der Feuerwerkskörper aus - bestehend aus Karton, Holz, Ton und Kunststoff. Also das, was wir am Neujahrsmorgen auf der Straße, im Garten, auf Dächern finden. "Sicherlich versuchen wir, den Umweltschutz zu berücksichtigen", sagt Klaus Gotzen, Geschäftsführer des VPI, "aber hier sind uns von gesetzlicher Seite oft Schranken gesetzt." Zum Beispiel sind Blisterverpackungen oder Deckel auf den Raketen ein Muss. "Das sind Vorgaben, die verhindern sollen, dass bei einer versehentlichen Zündung gleich mehrere Artikel betroffen sind." Da könne man manchmal gar nicht so umweltfreundlich sein, wie es vielleicht schön wäre, sagt Gotzen.
Was aber schon mal gut für die Umwelt und Gesundheit sei, ist, dass der Trend mittlerweile hin zu optischen Feuerwerken und weg von den Knallartikeln geht. Denn laute Böller und Co. belasten nicht nur das menschliche Gehör, sondern können auch Tiere in Parks oder am Waldrand aufschrecken und in Panik versetzen.
Gotzen sind die Batteriefeuerwerke am liebsten. "Da hat man direkt das ganze Feuerwerk in einem Paket". Die Batterie muss man nur ein Mal zünden und sofort setzt sich eine Kettenreaktion von Effekten in Gang. Das bringt einerseits weniger Müll mit sich, da man das Ganze nachher mit einem Mal wieder wegräumen kann. Vor allem aber ist diese Art Feuerwerk sicherer.
Sicherheit geht vor
Der Sicherheitsaspekt ist auch der, der Günter Klein-Sommer besonders am Herzen liegt und den er in seiner Vorlesung vor den Studenten immer wieder predigt. "Das wird nicht ernst genug genommen."
Insbesondere, wenn noch Alkohol ins Spiel kommt, sieht er das Feuerwerken sehr kritisch. Kleinfeuerwerke der Kategorie F2 etwa sind Feuerwerke, die auch von nicht als Pyrotechniker ausgebildeten - im Allgemeinen aber erwachsenen Personen - abgebrannt werden dürfen. "Hier beträgt der vorgeschriebene Mindestabstand acht Meter", sagt Klein-Sommer. "Aber selbst das halte ich für viel zu wenig. Das kann schwerste Verletzungen geben." Deshalb ist er ebenfalls ein Fan von den Batterien. Die sind standfest, man muss nur einmal zünden und kann dann das Feuerwerk aus sicherer Entfernung genießen.
Was übrigens auch einem Pyrotechniker keinen Spaß macht an seinem Beruf: Das Aufräumen danach. "Aber das gehört eben dazu", sagt Klein-Sommer.