PROSUR: Noch ein Staatenbündnis für Südamerika?
22. März 2019Südamerika werde dank neuer Integrationsbemühungen einen "riesigen Sprung in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung" machen, sagte 2008 Luiz Inácio Lula da Silva bei der Gründung der "Union Südamerikanischer Länder". Ihre Ziele waren die regionale Integration und der gemeinsame Kampf gegen Ungleichheit, Hunger und Armut. Elf Jahre später ist von der Zukunftsvision des ehemaligen brasilianischen Präsidenten nichts mehr spürbar.
Von den zwölf Gründungsmitgliedern von UNASUR bleiben nur noch fünf Staaten übrig.
Der Staatenbund habe sich zu einem "Komplizen der venezolanischen Diktatur" gemacht, sagte der kolumbianische Präsident Iván Duque, als er den Austritt aus UNASUR verkündete.
"Kolumbien kann nicht Teil einer von Hugo Chávez gegründeten Organisation sein, die gegründet wurde, um sein Regime zu legitimieren", sagte Duque. Auch der chilenische Präsidenten Sebastián Piñera wirft dem Staatenbund übermäßige Ideologisierung vor. UNASUR soll daher einer neuen Einrichtung "ohne Ideologien oder Bürokratie" weichen. Sie wollen einen neuen Klub ohne Venezuela - zumindest solange es dort keine Neuwahlen gibt. Der Name des neuen Bündnisses: PROSUR.
Der konservative Politiker betont auf Twitter, dass UNASUR seit drei Jahren paralysiert sei. Tatsächlich konnte sich der Staatenbund seit 2017 auf keinen Generalsekretär mehr einigen. PROSUR solle daher eine bessere Koordination, Kooperation und regionale Integration fördern. Eine Organisation, die sich "zu 100 Prozent Demokratie und Menschenrechten" verpflichtet.
Gründungsgipfel in Santiago
Um den Grundstein für PROSUR zu legen, hat Sebastián Piñera alle Staatsoberhäupter der Region zu einem Treffen in die Hauptstadt Chiles eingeladen, sechs haben zugesagt: Martin Vizcarra (Peru), Iván Duque (Kolumbien), Mauricio Macri (Argentinien), Lenín Moreno (Ecuador), Mario Abdo Benítez (Paraguay) und Jair Bolsonaro (Brasilien).
Die Reaktionen der chilenischen Opposition auf das Projekt der Regierung haben nicht auf sich warten lassen. In einem Brief mit dem Titel "Improvisierte Außenpolitik ist eine schlechte Ratgeberin" kritisieren 26 Politiker, darunter ehemalige Minister, sowie Botschafter den Vorschlag.
"PROSUR ist ein unüberlegter Vorschlag, der von einem zum anderen Tag gemacht wurde. Ein Gedankenblitz. Die Auswirkungen werden negativ sein, nicht nur aufgrund der Improvisation, sondern auch weil es ein Beispiel einer schlechten Praxis Lateinamerikas ist: Institutionen ins Leben zu rufen um diese dann unter dem Vorwand, dass sie nicht funktionieren, wieder abzuschaffen", heißt es in dem Schreiben des neugegründeten "Außenpolitischen Forums".
"PROSUR ist ein Anti-Links-Bündnis"
"Es wird fälschlicherweise immer wieder gesagt, dass UNASUR ein Projekt der Linksregierungen war", sagt Dr. Peter Birle vom Ibero-Amerikanischen Institut in Berlin im Gespräch mit der DW. "Der Staatenbund hat aber gerade in den ersten Jahren gezeigt, dass über ideologische Grenzen hinweg zusammengearbeitet werden konnte."
Für ihn macht es keinen Sinn, noch eine weitere Organisation zu schaffen. "In den letzten 20 Jahren wurden bereits sehr viele neue Institutionen und Netzwerke ins Leben gerufen", sagt Birle.
Neben der Union Südamerikanischer Staaten UNASUR, der Andengemeinschaft, der Rio-Gruppe und dem Wirtschaftsbündnis Mercosur hat die Region noch eine Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Staaten CELAC, die Pazifik-Allianz und die Bolivarianische Allianz für Amerika ALBA. Dazu kommen die Integrationsvereinigung ALADI, das Zentralamerikanisches Integrationssystem SICA und die Karibische Gemeinschaft CARICOM.
Peter Birle kritisiert: "Bei PROSUR wird einerseits gesagt, dass die Fahne der Demokratie hochgehalten wird. Anderseits wird der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro eingeladen, der alles andere als ein Musterdemokrat ist. Es geht nicht in erster Linie um Demokratie, sondern um etwas, das Bolsonaro folgendermaßen ausgedrückt hat: 'esquerda nunca mais' (nie wieder links)".
"PROSUR ist ein Anti-Links-Bündnis" sagt Birle, das "in der aktuellen Konstellation langfristig keinen Erfolg haben" wird. Ob man das schon existierende Staatenbündnis wiederbeleben kann? "Wenn es pragmatisch orientierte Regierungen mit dem entsprechenden politischen Willen gibt, könnte UNASUR reformiert werden."