Protest gegen Bildungsverbot für Frauen in Afghanistan
22. Dezember 2022Pünktlich zur Wintersonnenwende, der "Yalda Nacht", die in Afghanistan und der Region gefeiert wird, ließen die Taliban verlauten, dass Frauen mit sofortiger Wirkung von allen Universitäten verbannt werden sollen. Im ganzen Land wurden junge Frauen vor den Toren der Universitäten von bewaffneten Taliban abgewiesen.
"Ich bin schockiert", sagt Nazifa Zaki, Studentin an der Universität Ghor im Westen Afghanistans. "Ich fühle mich hoffnungslos, weil eine ganze Generation, die Hälfte der Bevölkerung, von Bildung ausgeschlossen wurde." Auch Massouda, die aus der Provinz Dschuzdschan stammt und in Kabul studierte, ist fassungslos. "Die Entscheidung des Islamischen Emirats ist ungerecht", klagt sie.
Im Land am Hindukusch dürfen praktisch Mädchen ab der sechsten Klasse keine Schule mehr besuchen. Am Donnerstag (22.12.) wurden sogar in einzelnen Städten auch Grundschülerinnen nach Hause geschickt. Es gab Berichte darüber, dass Lehrerinnen ihren Job verloren hätten. In einer Versammlung mit Schuldirektoren und Geistlichen kündigten die Taliban diese Woche an, Frauen dürften unter anderem nicht mehr als Lehrerinnen arbeiten und die Moscheen besuchen. Ein offizieller Beschluss erfolgte bisher nicht.
"Langfristig wird das einen großen Schaden für Afghanistan und die Menschen in Afghanistan haben", mahnt Shaharzad Akbar, ehemalige Vorsitzende der afghanischen Menschenrechtskommission. "In einer Gesellschaft, in der die Hälfte der Bevölkerung keinen Zugang zur Bildung hat, bleibt die Bevölkerung arm und von Hilfe der internationalen Gemeinschaft abhängig." In Afghanistan herrscht ohnehin seit Jahren eine Hungerkrise. Nach Angaben der Vereinten Nationen werden in diesem Winter knapp 23 Millionen Afghanen nicht genug zu essen haben.
Welle der Empörung gegen Bildungsverbot für Frauen
Um ein Zeichen gegen das Verbot der Taliban zu setzen, folgten mehrere Protestaktionen von Studierenden und Lehrenden. Eine Reihe von männlichen Medizinstudenten stand inmitten einer Prüfung auf und verließ aus Protest den Raum. An der Universität in Nangarhar im Osten des Landes protestieren Studentinnen und Studenten vor dem Unigebäude. Dutzende Frauen in mehreren Städten gingen ein weiteres Mal auf die Straße und riefen Parolen wie "Entweder jeder oder keiner" und "Bildung für alle".
Die Taliban reagierten mit Schlägen und versuchten auf diese Weise, Demonstrantinnen auseinanderzutreiben. Im ganzen Land legten männliche Dozenten ihre Arbeit nieder oder gaben ihren Rücktritt bekannt. Einer der ersten war Obaidullah Wardak, der in Kabul an der Fakultät Mathematik lehrte. Er sehe keine andere Wahl, als seinen Rücktritt einzureichen. "Ich konnte das nicht mit meinem Gewissen vereinbaren und wollte mich solidarisch zeigen", sagt er im DW-Interview. Er glaube zwar nicht daran, dass sich die Taliban dadurch beeindrucken ließen, aber er hoffe trotzdem, dass sich ihm weitere Menschen anschließen würden.
Für Abas Basir, Ex-Bildungsminister unter Präsident Ashraf Ghani bis dessen Sturz im August 2021, kann nur ein anhaltender Druck aus der Bevölkerung die Taliban zu einer Umkehr bewegen. "Wenn die Lehrkräfte gemeinsam kündigen und die Universitäten und Schulen verlassen, könnte das zu einem positiven Ergebnis führen", so Basir zur DW.
Solidarität mit Afghaninnen
Die Welt müsse spätestens jetzt handeln, fordert die afghanische Politikerin und islamische Feministin Shukria Barakzai. Barakzai studierte selbst an der Universität Kabul. Einen Abschluss konnte sie in den 1990er-Jahren jedoch nicht erwerben, da die Taliban an die Macht gekommen waren. "Die Taliban haben bewiesen, dass sie Frauen systematisch diskriminieren. Die Menschen in Afghanistan und die internationale Gemeinschaft sollten sich gemeinsam dagegen wehren und ihre Verantwortung gegenüber den Frauen nicht vergessen", sagt Barakzai.
Selbst in anderen islamischen Ländern wie Saudi Arabien, die Türkei und Katar, die für eingeschränkte Frauenrechte bekannt sind, gilt das Bildungsverbot für Frauen als "inhuman" und "unislamisch". Für die Taliban sind selbst diese Länder keine islamischen Länder. In ihren Augen herrschen sie über das einzige Land der Welt, in dem das islamische Recht ordnungsgemäß seine Anwendung finde.