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Politik

Protest gegen Peking

Kiyo Dörrer | Hans Spross
9. November 2016

Peking hat zwei gewählten Pro-Unabhängigkeitskandidaten den Weg ins Hongkonger Parlament versperrt. Die Entscheidung sehen viele in Hongkong als Angriff auf die verbriefte Autonomie.

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Hongkong Abgeordnete Baggio Leung & Yau Wai Ching
Bild: Reuters/B. Yip

Pekings Einschreiten gegen zwei gewählte Hongkonger Pro-Unabhängigkeitskandidaten hat in der Justiz der Sonderverwaltungsregion einmal mehr zu Protesten und Sorge um die Autonomie Hongkongs geführt. Am Dienstag begaben sich über 1000 schwarz gekleidete Rechtsanwälte zu einem Schweigemarsch im Zentrum der Finanzmetropole.

Anlass für diesen jüngsten, vierten Protestmarsch der Rechtsanwälte seit 1997 war ein Beschluss des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses in Peking vom Montag. Dabei ging es um den Fall von zwei Pro-Unabhängigkeitskandidaten, die bei den Wahlen Anfang September gewählt worden waren und bei der konstituierenden Sitzung des neuen Hongkonger Parlaments (Legislativrats) Mitte Oktober eine Eklat provoziert hatten.

Hong Kong Über Tausend Rechtanwälte tragen Schwarz als Protest gegen China
Viele Rechtsanwälte gingen am Dienstag auf StraßeBild: REUTERS/T. Siu

Provokation zur Parlamentseröffnung

Sixtus "Baggio" Leung und Yau Wai-ching, zwei neue direkt gewählte Kandidaten für den Legislativrat, hatten ihren Eid als neue Abgeordnete auf provozierende Weise abgewandelt. Während Sixtus Leung ein Transparent mit der Aufschrift "Hongkong is not China" trug, bediente sich Yau Wai-ching unflätiger Ausdrucksweise. Trotz mehrfacher Aufforderung wollten die beiden Newcomer den Eid nicht in der vorgeschriebenen Form ablegen.

Gemäß Artikel 104 des Hongkonger Grundgesetzes (Basic Law) müssen der Chief Executive und alle anderen hochrangigen Funktionsträger, alle Kabinettsmitglieder (Executive Council) und Richter sowie die Abgeordneten beim Amtsantritt einen Eid ablegen. Darin verpflichten sie sich, "das Grundgesetz der Sonderverwaltungszone Hongkong der Volksrepublik China aufrecht zu erhalten und ihre Treue zur Sonderverwaltungszone Hongkong der Volksrepublik China zu schwören."

Peking hat auf die zur politischen Demonstration umfunktionierten Eidesleistung der beiden gewählten Kandidaten schnell reagiert. In dem Beschluss des Volkskongresses heißt es: Wer den Amtseid ablehne oder auf eine "unwürdige und nicht ernsthafte Weise" ablege, disqualifiziere sich für ein öffentliches Amt.  Damit wurden die beiden Rebellen praktisch ausgeschlossen.

China Honkgong Gesetzgebender Rat
Pro-demokratische Abgeordnete im Hongkonger Parlament (Stand: Oktober 2016)Bild: picture-alliance/dpa/J. Favre

"Ein Land, ein System"

Was die Hongkonger Rechtsanwälte, wenn auch äußerlich ruhig, auf die Palme bringt, ist das zeitliche Vorgehen Pekings. Denn die Entscheidung erfolgte noch bevor das Oberste Gericht Hongkongs (High Court) sein Urteil zur Gültigkeit oder Nicht-Gültigkeit der Eidesleistung der beiden gewählten Kandidaten abgeben konnte.

Mit dieser Entscheidung hat sich Peking erstmals direkt, also ohne Aufforderung durch Hongkong, in dessen unabhängige Rechtsprechung eingemischt. Grundlage des Hongkonger Grundgesetzes ist das Prinzip "Ein Land, zwei Systeme". Mit anderen Worten, Hongkong soll seine Angelegenheiten selbst regeln. Dieses Prinzip wird durch Pekings Vorgehen jetzt in den Augen der Rechtsanwälte und der Demokratie-Bewegung ausgehöhlt.

"Es handelt sich hier um einen fundamentalen Zusammenprall", sagt Jacques de Lisle, Politikwissenschaftler an der Universität Pennsylvania, gegenüber der DW. Er sieht Hongkong auf dem Weg zu "Ein Land, ein System".

"Der Ausschluss von zwei gewählten Kandidaten für den Legislativrat wird ihre Unterstützer wieder auf die Straße bringen", sagt Tim Summers von der britischen Denkfabrik Chatham House im DW-Interview. "Die Mehrheit der Hongkonger Bevölkerung fand das Verhalten beider Kandidaten zwar beleidigend. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass sie mit der Auslegung des Grundgesetzes durch Peking einverstanden wäre."

Laut Artikel 158 des Hongkonger Grundgesetzes hat der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses die Kompetenz zur Auslegung des Hongkonger Grundgesetzes. Im zweiten Absatz desselben Artikels wird allerdings ausgeführt, dass der Ständige Ausschuss die Gerichte Hongkongs autorisiert, das Grundgesetz selbstständig bei Verfahren auszulegen.

Joseph Yu-Shek Cheng Politikwissenschaftler
Joseph Yu-shek Cheng: Politische Machtdemonstration von PekingBild: Privat

Machtpolitik statt ordentlichen Verfahrens

Für Joseph Yu-shek Cheng, Unterstützer der Demokratiebewegung und emeritierter Politikprofessor der City University of Hongkong, ist der Beschluss durch Pekings Volkskongress nicht das Ergebnis juristischer Auseinandersetzungen, sondern eine rein politische Machtdemonstration. Peking wolle zeigen, dass der Wille des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses über der juristischen Unabhängigkeit Hongkongs stehe, sagte Cheng der Deutschen Welle.

Die Hong Kong Bar Association, eine Vereinigung von über 1000 Rechtsanwälten, bedauert die Auslegung des Grundgesetzes durch Peking. Dadurch werde mehr Schaden als Nutzen bewirkt. Es entstehe der Eindruck, dass Peking jetzt die Gesetzgebung für Hongkong übernehme, hieß es in einer schriftlichenStellungnahme.Die Vertretung der chinesischen Zentralregierung in Hongkong ließ verlauten, dass die aktuelle Auslegung des Grundgesetzes durch Peking keineswegs die Unabhängigkeit der Justiz in Hongkong aushebele. Vielmehr werde dadurch "die Rechtsstaatlichkeit in Hongkong mit dem Grundgesetz als Kern gestärkt."