Protest statt Parlamentswahl in Hongkong
6. September 2020Ursprünglich sollte an diesem Sonntag in Hongkong ein neuer Legislativrat gewählt werden, das Parlament der chinesischen Sonderverwaltungszone. Hongkongs peking-treue Regierungschefin Carrie Lam hatte die Abstimmung im Juli mit Verweis auf einen Anstieg der Corona-Infektionen um ein Jahr verlegt.
Die Regierungsgegner werfen ihr vor, die Virus-Krise als Vorwand genutzt zu haben, um die Demokratiebewegung in Schach zu halten. Die pro-demokratischen Kräfte in der Stadt hatten gehofft, bei der Wahl erstmals die Mehrheit im Legislativrat zu erringen.
Nach Online-Aufrufen der Demokratiebewegung zu Protesten am eigentlich vorgesehenen Wahltag, dem 6. September, patrouillierten Hunderte Polizisten im Stadtteil Kowloon, um spontane Flash-Mob-Aktionen zu durchkreuzen. Immer wieder waren bei den Protesten hunderter Demokratie-Befürworter Rufe wie "Gebt mir meine Wahl zurück!", "Befreit Hongkong", "Revolution" oder "Korrupte Polizisten!" zu hören, während Sicherheitskräfte die Demonstranten stoppten. Die Polizei setzte Pfefferspray-Munition ein, um den Protest aufzulösen.
Unter Verweis auf einen angeblichen Verstoß gegen das Versammlungsrecht wurden zahlreiche Demonstranten in Gewahrsam genommen. Auf Facebook sprachen die Sicherheitskräfte von insgesamt 289 Festnahmen.
Das Ende Juni von China verfügte sogenannte Sicherheitsgesetz erlaubt den Behörden Hongkongs in ein hartes Vorgehen gegen alle Aktivitäten, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit bedrohen. Gegner sehen durch das auch international scharf kritisierte Gesetz die Autonomie- und Freiheitsrechte Hongkongs gefährdet.
Das "Sicherheitsgesetz" bedeutet den bislang schwersten Eingriff in den Autonomiestatus der früheren britischen Kronkolonie. Hongkong waren bei der Übergabe an China 1997 für 50 Jahre Sonderrechte nach dem Prinzip "Ein Land - zwei Systeme" gewährt worden, darunter Meinungs- und Versammlungsfreiheit.
qu/kle (rtr, afp)