Proteste in Algier: Erst friedlich, dann brutal
9. März 2019Straßenschlachten, 200 Verletzte, ein geplündertes Museum: Am Rande des Massenprotests gegen Algeriens Präsidenten Abdelaziz Bouteflika ist es zu Gewalt und Randale gekommen. Aus einem Krankenhaus in der Hauptstadt Algier heißt es, es seien mehr als 100 Zivilisten eingeliefert worden. Einige hätten Tränengas eingeatmet, andere seien von Steinen oder Gummigeschossen getroffen worden. Die algerischen Sicherheitsbehörden hatten bereits von mehr als 100 verletzten Polizisten berichtet.
Am Freitag waren zunächst in vielen Städten des Landes Menschenmassen friedlich auf die Straße gegangen. Es handelte sich um die größten Demonstrationen seit Ausbruch der Protestwelle vor mehr als drei Wochen. Die Schätzungen reichen von Zehntausenden bis zu Hunderttausenden Teilnehmern. Im Zentrum der Hauptstadt Algier waren Straßen und Plätze bis zum Bersten gefüllt, obwohl die Behörden fintenreich versuchten, die Demonstranten aufzuhalten.
Nach Ende der Demonstrationen kam es jedoch zu Zusammenstößen mit der Polizei. Dabei wurde auch das älteste Museum des Landes zum Teil geplündert. Im Museum für Altertümer und Islamische Kunst in Algier seien "Gegenstände gestohlen und Büros der Museumsverwaltung angezündet" worden, beklagte das algerische Kulturministerium. Dafür seien "Kriminelle" verantwortlich, die im Schutz der Massendemonstrationen gehandelt hätten. Bilder zeigen ausgebrannte Räume und zerstörte Vitrinen. 195 Menschen wurden festgenommen. Das Ministerium sprach von einem "Verbrechen an unserem geschichtlichen Erbe".
Von einem Tag auf den anderen sind an den algerischen Universitäten fast vierwöchige Semesterferien ausgerufen worden. Damit versucht das Bildungsministerium weitere Demonstrationen einzudämmen, weil sich dabei vor allem die Studenten hervorgetan haben.
Landesweit kommt es seit Ende Februar immer wieder zu Protesten gegen den 82 Jahre alten Bouteflika. Der Staatschef ist seit 20 Jahren an der Macht und will sich bei einer Abstimmung am 18. April erneut wählen lassen. Es wäre seine fünfte Amtszeit. Seine Gegner bezweifeln jedoch, ob er noch in der Lage ist, das Amt auszuüben. Nach einem Schlaganfall sitzt Bouteflika im Rollstuhl und hat große Probleme beim Sprechen. Der greise Präsident hält sich seit rund zwei Wochen zur medizinischen Behandlung in Genf auf. Wann er nach Algerien zurückkehren kann, ist unklar. Seit Ausbruch der Proteste äußerte er sich nur durch Botschaften, die für ihn verlesen wurden.
Die Bilder erinnern an die arabischen Aufstände vor acht Jahren, wo Massenproteste in den benachbarten Ländern Langzeitherrscher zu Fall brachten. In Algerien blieb die Lage damals vergleichsweise ruhig. Bouteflika galt lange als Stabilitätsgarant, der das Land nach dem blutigen Bürgerkrieg in den 1990er Jahren wieder vereint hat.
rb/hk (afp, ap, dpa)