Proteste nach Lockdown-Verlängerung
20. Mai 2020Trotz des heftigen Widerstands der Opposition und zunehmender Proteste verärgerter Bürger hat das Parlament in Spanien den Ausnahmezustand wegen der Corona-Pandemie zum fünften Mal verlängert. Die Abgeordneten in Madrid nahmen den entsprechenden Antrag der linken Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Pedro Sánchez mit knapper Mehrheit an. Mit 177 zu 162 Stimmen war es das knappste Ergebnis einer Notstandsverlängerung. Der bereits seit Mitte März bestehende Alarmzustand samt strenger Ausgehbeschränkungen gilt nun bis zum 6. Juni. Sánchez wollte ihn eigentlich um weitere vier Wochen verlängern, konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Via Twitter bedankte er sich und versicherte, man habe "nur ein einziges Ziel: Weiterhin Menschenleben retten."
In seiner Rede vor dem Parlament hatte der Chef der sozialdemokratischen PSOE zuvor die scharfe Kritik der Abgeordneten der konservativen Opposition, einiger Regionalparteien und der Rechtspopulisten von Vox zurückgewiesen. Die Spanier hätten gemeinsam die Ausbreitung des Virus gestoppt. "Niemand hat das Recht, das, was wir erreicht haben, leichtfertig zu verspielen", betonte er. Den Notstand aufzuheben, wäre "grob unverantwortlich".
Die stärkste Oppositionsfraktion, die konservative Volkspartei PP, votierte zum ersten Mal gegen die Verlängerung. Nicht nur sie wirft Sánchez unter anderem vor, sich mit Hilfe der Regelungen der Kontrolle der Opposition zu entziehen. Die Parlamentarier der Opposition befürchten, dass durch den anhaltenden Lockdown die Wirtschaft des Landes so heruntergefahren wird, dass sie sich nicht mehr erholen kann.
Heftiger Protest in mehreren Städten
Nur kurz nach der Abstimmung gingen Kritiker des Lockdowns und Regierungsgegner in Madrid und anderen Städten auf die Straßen, um lautstark zu protestieren. Auch an offenen Fenstern und auf Balkonen zeigten sich wütende Bürger. Sie machten ihrem Ärger Luft, indem sie auf Töpfe einschlugen und "Freiheit, Freiheit" skandierten. Viele schwenkten spanische Fahnen, andere waren in die Landesflagge gehüllt.
Seit eineinhalb Wochen nehmen die Proteste der Lockdown-Kritiker zu. Dabei demonstrieren Hunderte Menschen zum Teil auch dicht gedrängt auf den Straßen und verletzten das Versammlungsverbot.
Spanien zählt zu den am stärksten von der Lungenkrankheit COVID-19 betroffenen Ländern weltweit. Bislang starben dort nach Angaben der Behörden 27.888 Infizierte. Inzwischen hat sich die Ausbreitung des Coronavirus in dem EU-Land deutlich abgeschwächt.
Die Regierung will die Infektionszahl weiter nach unten drücken. Deshalb wird auch erst seit einigen Tagen die strikte Ausgehsperre schrittweise gelockert. Im Kampf gegen das Virus muss von diesem Donnerstag an in allen öffentlichen Bereichen - auch im Freien - ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden, "wenn der minimale Sicherheitsabstand von zwei Metern nicht gewährleistet werden kann". Kleine Kinder bis fünf Jahre sind davon ausgenommen. Bisher galt die Schutzmaskenpflicht in Spanien nur im öffentlichen Nahverkehr. Die Grenzen für ausländische Touristen sollen frühestens Ende Juni geöffnet werden.
se/al (afp, dpa, ap)