Prozess ist "eine lächerliche Show"
2. August 2009Der Massenprozess gegen die Regierungskritiker verstößt nach Ansicht des früheren iranischen Präsidenten Mohammed Chatami gegen die iranische Verfassung. Solche Schauprozesse würden dem System direkt schaden und das Vertrauen in der Öffentlichkeit weiter schwinden lassen, war am Sonntag (02.08.2009) auf Chatamis Internetseite zu lesen.
Der Politiker von der Reformpartei "Beteiligungsfront", die als wichtigste Oppositionspartei gilt, wies alle Anklagepunkte gegen die Regierungskritiker zurück und erklärte, das Verfahren sei politisch motiviert. Der Prozess sei "eine lächerliche Show, die selbst von einem gekochten Huhn ausgelacht werden würde".
Der iranische Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi warf der Justiz am Sonntag vor, Aussagen der Angeklagten durch Folter erzwungen zu haben. Die Justiz behaupte, die Angeklagten hätten am Samstag zugegeben, Verbindungen zu Feinden unterhalten zu haben und die Islamische Revolution umkehren zu wollen, schrieb Mussawi auf seiner Internetseite. Die Vorwürfe wies er zurück. Die Opposition habe nichts mit Ausländern zu tun, so Mussawi. "Es handelt sich um eine durch und durch einheimische Bewegung", heißt es in der Erklärung. Bei der Wahl seien die Rechte der Iraner verletzt worden.
Prominente Oppositionsführer unter den Angeklagten
Der Prozess gegen die regierungskritischen Demonstranten hatte am Samstag begonnen. Den Angeklagten wird vorgeworfen, sich an Krawallen beteiligt und Unruhe gestiftet zu haben. Außerdem müssen sie sich vor dem Revolutionsgericht in Teheran wegen Verletzung der nationalen Sicherheit, Störung der öffentlichen Ordnung, Kontakten zu bewaffneten oppositionellen Gruppen und wegen Verschwörung gegen die Regierung verantworten.Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen insbesondere einen von langer Hand mit ausländischer Finanzhilfe vorbereiteten Putschversuch vor. Den Angeklagten droht der iranischen Nachrichtenagentur Fars zufolge schlimmstenfalls die Todesstrafe.
Unter den Beschuldigten sind laut Fars auch prominente Regierungskritiker, so etwa Ex-Vizepräsident Mohammed Ali Abtahi, der ehemalige stellvertretende Außenminister Mohsen Aminsadeh und der frühere Regierungssprecher Abdollah Ramasansadeh. Insgesamt seien rund 100 Oppositionelle angeklagt, meldete Fars. Andere iranische Medien hatten berichtet, etwa 30 Demonstranten stünden von Samstag an vor Gericht.
Amnesty International fordert faire Prozesse
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte die iranische Führung auf, keine Schauprozesse abzuhalten. "Wir werden darauf achten, dass es nicht dazu kommt. Es müssen faire Verfahren durchgeführt werden", sagte die neue Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland, Monika Lüke, der "Berliner Zeitung".
Amnesty verlangte von der Führung in Teheran, die politischen Gefangenen freizulassen. In den iranischen Gefängnissen dürfe nicht mehr gefoltert werden und die Pressefreiheit müsse wieder hergestellt werden, so die Amnesty-Generalsekretärin. "Zudem müssen diejenigen, die für die Tötung von Personen verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden."
Lüke mahnte ein stärkeres Engagement Deutschlands für die Achtung der Menschenrechte im Iran an. "Wir wünschen uns, dass die Bundesregierung Menschenrechtsverletzungen auch in Wirtschaftsverhandlungen und bei Atomgesprächen thematisiert", sagte Lüke.
250 Oppositionelle sind noch in Gewahrsam
Die Unruhen im Iran hatten sich an der umstrittenen Präsidentenwahl am 12. Juni entzündet. Nachdem Präsident Mahmud Ahmadinedschad offiziell zum erneuten Sieger ausgerufen worden war, gingen in der Hauptstadt Teheran und in anderen iranischen Städten Hunderttausende aus Protest auf die Straße.
Dabei kam es zu Ausschreitungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Mindestens 20 Menschen starben, mehr als 1000 Personen wurden festgenommen, darunter Politiker, Journalisten und Anwälte. Die meisten von ihnen sind inzwischen wieder freigelassen worden. Rund 250 befindet sich aber weiter in Haft. Der offiziell unterlegene reformorientierte Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi warf der Regierung Wahlfälschung vor. Die Opposition verlangt eine Neuwahl. (kis/det/rri/dpa/rtr/ap/afp/epd)