Islamisten in Deutschland
25. Juli 2012Der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf will in 30 Verhandlungstagen aufklären, was zu einem der schlimmsten Terror-Attentate in Deutschland hätte werden können. Eine der wichtigsten Fragen dabei: Wie eng war der Kontakt zu Al-Kaida tatsächlich? Die verhafteten, mumaßlichen Täter müssen mit langjährigen Freiheitsstrafen rechnen. Gerichtsverwertbare Geständnisse liegen nicht vor. Dafür sprechen die gesammelten Daten der Ermittler Bände: 260 Aktenordner haben sie gefüllt. Die Anklageschrift umfasst über 500 Seiten. Der Hauptvorwurf: Bildung einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung zum Mord. Angeklagt sind vier Männer im Alter zwischen 21 und 32 Jahren.
Die "Düsseldorfer Terrorzelle"
Der Marokkaner Abdeladim El-K. gilt als Anführer der Gruppe. Er kam 2001 nach Deutschland und studierte Mechatronik in Bochum. Er soll auch im Jahr 2010 in einem Ausbildungslager von Al-Kaida im pakistanischen Waziristan gewesen sein, bevor er für seine Terrorpläne Komplizen in Deutschland suchte. In Düsseldorf fand er drei Verbündete. Den Deutsch-Iraner Amid C., der vor einem Jahr noch versuchte, sein Abitur zu bestehen. Halil S., der in Bochum Maschinenbau studierte und Jamil.S., einen deutsch-marokkanischen Elektriker. Alle hatten bis zu ihrer Verhaftung ein eher unauffälliges Dasein in der Bundesrepublik geführt.
Nach Einschätzung von Rolf Tophoven, Leiter des Essener Instituts für Terrorforschung, war die Gruppe in Deutschland selbst mit anderen islamistischen Extremisten nicht gut vernetzt. Aber Tophoven schätzt die Terrorverdächtigen, vor allem wegen ihrer Kontakte in höchste Al-Kaida-Kader, als gefährlich sein. Ein solcher Kontakt ist bisher in Deutschland einmalig. Nach den bisherigen Ermittlungen des Bundeskriminalamtes sollen die Hintermänner und Auftraggeber der "Düsseldorfer Zelle" Atiyatallah al-Libi sowie Younis al-Mauretani sein. Libi ist inzwischen bei einem Raketenangriff umgekommen, Younis wurde in Pakistan verhaftet.
Verhaftung nach Abhör-Aktion
Ein Sondereinsatzkommando des Bundeskriminalamts schlug bereits im April des vergangenen Jahres zu. Als die Männer der so genannten "Düsseldorfer Zelle" festgenommen werden, sollen sie gerade im Badezimmer eines Zweizimmer-Apartments in Düsseldorf Grillanzünder erhitzt haben. Daraus wollten die mutmaßlichen Täter Hexamin als Sprengstoffauslöser gewinnen. Die Grillanzünder aus dem Supermarkt enthielten aber nur untaugliches Paraffin. Angeblich stammt das Rezept zur Herstellung einer Bombe aus einem Ausbildungslager von Al-Kaida. Der Angeklagte Abdelabdim El-K. soll es dort aufgeschrieben und mitgebracht haben.
Gesammelt wurden diese Beweise durch Mitarbeiter des Bundeskriminalamts. Sie zapften die Computer der Terrorverdächtigen an und lasen die E-Mails mit. Über Wochen belauschten die Ermittler die Gespräche in der Düsseldorfer Wohnung. Ein schwieriges Unterfangen, weil die beobachteten Männer oft den Fernseher laut drehten oder die Waschmaschine laufen ließen. Über konkrete Anschlagsziele sollen sie zwar nicht gesprochen haben, doch als sie äußerten, man wolle jetzt „die Hunde abschlachten“, griffen die Sicherheitsbehörden zu.
Hinweise von der CIA
Wie schon bei den Verhaftungen früherer Terrorverdächtiger in Deutschland kam der entscheidende Hinweis auf die Männer in Düsseldorf von einem US-amerikanischen Geheimdienst, der Telefongespräche aus pakistanischen Terrorlagern abhört. Vermutlich hat das Bundeskriminalamt von der CIA einen Wink erhalten. Aber auch ohne diese Verbindungen hält Terrorismusforscher Tophoven die deutschen Ermittler für gut gerüstet, um Anschläge rechtzeitig zu verhindern.
Tatsächlich konnten mehrere islamistisch motivierte Anschläge vereitelt und verantwortliche Gruppierungen festgenommen werden wie die "Sauerland-Gruppe". Dazu zählten vier Männer, die 2007 Attentate auf Flughäfen und US-Einrichtungen planten. Zuvor, 2006, waren die "Kofferbomber" festgesetzt worden, die in zwei Regionalzügen Sprengsätze zünden wollten. Wegen eines Konstruktionsfehlers kam es zu keiner Explosion. 2004 flogen Mitglieder der Gruppe "Ansar al-Islam" auf, die den damaligen irakischen Ministerpräsidenten Ijad Allawi während eines Deutschland-Besuchs ermorden wollten. Und 2002 wurden die Anhänger der Terrorgruppe Al-Tawhid enttarnt, die jüdische Einrichtungen in Deutschland als Angriffsziel ausgemacht hatten.
Im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts ist nun wieder ein Gericht zusammengetreten, das schon in anderen spektakulären Verfahren gegen islamistische Terrorgruppen erfahren ist. Die Vorsitzende Richterin erwartet das Urteil im November.