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Prozessbeginn im Brustimplantat-Skandal

17. April 2013

Das französische Unternehmen Poly Implant Prothèse (PIP) hat jahrelang mit billigem Industriesilikon gefüllte Brustimplantate verkauft. Nun hat das erste Strafverfahren, begonnen wegen schwerer Täuschung und Betrug.

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Ein geöffnetes Brust-Implantat des Unternehmens PIP (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Drei Jahre nach dem Auffliegen des Skandals um Brustimplantate aus minderwertigem Industriesilikon müssen sich die mutmaßlich Verantwortlichen erstmals vor einem Strafgericht verantworten. In Marseille begann ein Mammutprozess wegen schwerer Verbrauchertäuschung und Betrugs. Das Urteil wird gegen Ende des Jahres erwartet. Angeklagt sind der geständige Gründer des mittlerweile insolventen Herstellerunternehmens Poly Implant Prothèse (PIP), Jean-Claude Mas, sowie vier seiner früheren Mitarbeiter. Ihnen drohen bis zu fünf Jahre Haft. Der Skandal war erst entdeckt worden, nachdem sich Hinweise auf eine erhöhte Reißanfälligkeit der Produkte häuften. Zudem gab es 2009 einen anonymen Hinweis auf den Betrug.

Prozess um Billig-Brustimplantate

500.000 Frauen sind Opfer des Medizin-Skandals

Eine halbe Million Frauen aus aller Welt, darunter auch zahlreiche Deutsche, haben sich Brustimplantate der südfranzösischen Firma einsetzen lassen, die billiges Industriesilikon enthalten, wie es auch für Matratzen verwendet wird. Mehr als 5000 Geschädigte haben Strafanzeige erstattet. Ein Gutteil von ihnen will den Prozess vor Ort verfolgen. Für 1100 geschädigte Frauen gilt das auf alle Fälle. Sie haben sich dem Verfahren als Nebenklägerinnen angeschlossen. Rund 300 Anwälte werden außerdem erwartet.

Pfusch bereits eingestanden

Neben zahlreichen betroffenen Frauen ist der TÜV Rheinland an dem Strafprozess als Nebenkläger beteiligt. Der deutsche Prüfdienstleister war für die Zertifizierung der Implantate und des PIP-Qualitätssicherungssystems zuständig. Er wirft PIP vor, sämtliche Hinweise auf die Verwendung nicht zugelassenen Silikons systematisch verschleiert zu haben.

PIP-Chef Mas im Labor, bevor der Betrug aufflog (Foto: dpa)
Da war seine Welt noch in Ordnung, PIP-Chef Mas im Labor, bevor der Betrug aufflogBild: picture-alliance/dpa

Der heute 73-Jährige Firmengründer Mas gestand im Polizeiverhör bereits ein, den TÜV ausgetrickst zu haben. Die Kontrolleure hätten ihre Besuche stets zehn Tage im Voraus angekündigt, Zeit genug, um belastendes Material verschwinden zu lassen. Mas räumte auch ein, er habe von 1995 an drei Viertel seiner Prothesen mit dem Billig-Gel gefüllt. Ob das von ihm genannte Datum stimmt, ist bis heute unklar. In den Vernehmungen machten die Angeklagten hierzu widersprüchliche Angaben.

Gesundheitsfragen bleiben ausgeklammert

Der Verdacht eines möglichen Zusammenhangs zwischen PIP-Brustimplantaten und Krebserkrankungen ist wissenschaftlich noch nicht geklärt. Das nicht zugelassene Silikon kann aber Entzündungen auslösen, wenn es durch einen Riss austritt. So bleibt denn auch die Frage, in welchem Ausmaß die PIP-Implantate gesundheitsgefährdender sind als mit hochwertigem, zehnmal teurerem Silikon gefertigte, in diesem Verfahren ausgeklammert. Frühestens 2014 will die Staatsanwaltschaft einen zweiten Prozess anstrengen und Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Tötung erheben.

Länder wie Deutschland und Frankreich haben betroffenen Frauen in einer beispiellosen Aktion empfohlen, sich ihre Silikonkissen vorsichtshalber entfernen zu lassen.

qu/pg (dpa, afp)