Prävention mit Lücken
4. Oktober 2002"Es gibt keinen wirklichen Schutz vor Biowaffen – außer politischer Prävention", beschreibt Jan van Aken vom Hamburger Sunshine Project im Gespräch mit DW-WORLD den mühseligen Kampf gegen die Gefahr, die von Biowaffen ausgeht. Die in den USA gegründete Vereinigung will eine größere Transparenz in der Forschung erreichen und zur weltweiten Ächtung von Biowaffen beitragen.
USA lassen Verhandlungen scheitern
Doch gerade der Prozess der politischen Vorbeugung hat im letzten Jahr einen herben Rückschlag erlitten. Da die 1972 verabschiedete Biowaffenkonvention keine Überprüfungsmechanismen vorsieht, hatte man einige Jahre über ein Zusatzprotokoll verhandelt. Weil die USA das Protokoll für nicht effektiv genug hielten und zugleich wichtige Geheimnisse ihrer militärischen Forschung gefährdet sahen, scheiterten die Verhandlungen endgültig.
"Es wird kein Zusatzprotokoll geben. Somit ist die Umsetzung der Biowaffenkonvention völlig unmöglich", beklagt van Aken die Entwicklung. In der Konvention hatten sich die unterzeichnenden Staaten dazu verpflichtet, auf jegliche offensive Forschung mit biologischen Waffen zu verzichten.
Ende der Geheimhaltung
Durch die faktische Auflösung der Konvention müssen nun andere Wege her, um die Forschungsanstrengungen in der Welt zu kontrollieren. Der Zellbiologe van Aken, der in der Vergangenheit unter anderem bei Greenpeace gearbeitet hat, sieht in der Schaffung von Transparenz die wichtigste Voraussetzung für eine bessere Kontrolle. "Legitime und illegitime Forschung sind ohnehin sehr schwer zu unterscheiden. Das einzige, was da hilft, ist ein Ende der Geheimhaltung von Forschungsinhalten."
In der Tat gibt es öfters Debatten um die Abgrenzung zwischen defensiver und offensiver Forschung. Besonders die USA geraten in diesem Zusammenhang immer wieder in die Schlagzeilen. Als etwa eine russische Forschergruppe einen Milzbranderreger gegen die herkömmlichen Impfstoffe resistent gemacht hatte, versuchten die amerikanische Forscher dieses Experiment nachzuahmen. "Die Wissenschaftler wollten diese Manipulation nachbilden, um dann einen neuen Impfstoff zu entwickeln", erklärt Kathryn Nixdorff, Biologin an der Technischen Universität in Darmstadt, gegenüber DW-WORLD das Vorgehen. "Allerdings hätten sie damit einen sehr gefährlichen Mikroorganismus erzeugt. Es ist fraglich, ob das eine akzeptable Form der Defensivforschung ist."
Kontrolle kaum möglich
Während sich schon die Beurteilung der bekannten Forschungsvorhaben derart schwierig gestaltet, ist das Auffinden geheimer Engagements von Terroristen und so genannten "Schurkenstaaten" ungleich komplizierter. Oliver Thränert von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik fordert im DW-WORLD-Interview etwa, Exportkontrollen zu verschärfen und die Rolle der Weltgesundheitsorganisation bei der Überprüfung von verdächtigen Krankheitsausbrüchen zu stärken. Jan van Aken sieht wiederum in den UN-Waffeninspektoren einen wichtigen Bestandteil eines neuen Kontrollkonzepts.
Da eine umfassende Kontrolle offensichtlich nicht zu leisten ist, setzen viele Staaten unterdessen weiter auf die Ausweitung der Defensivforschung. Die Bundeswehr arbeitet an Früherkennungssystemen für biologische Kampfstoffe und treibt außerdem die Entwicklung von Impfstoffen voran. Laut Politologe Thränert wurden die Mittel für diese Forschung nach dem 11. September nochmals aufgestockt. Auch im Bereich des Zivilschutzes habe sich einiges getan. So sorge die Akademie für Notfallplanung in Bad Neuenahr für eine bessere Ausbildung der Notfallkräfte.
Dennoch bleibt fraglich, ob es überhaupt einen wirksamen Schutz vor Angriffen mit Biowaffen geben kann. Die Biologin Kathryn Nixdorff bezweifelt dies: "Die Schutzmöglichkeiten hängen vom Ausmaß des Angriffs ab. Einen lokal stark begrenzten Angriff kann man wohl meistern. Wenn viele Menschen betroffen sind, droht die Katastrophe."