1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Psychologe: "Beim Autokauf zählt allein das Image"

Brigitte Osterath
19. Januar 2018

Rundumblick, gutes Sitzen, mehr Sicherheit - alles Quatsch, sagt Wirtschaftspsychologe Rüdiger Hossiep: Für Fahrer von Geländewagen ist etwas ganz anderes wichtig. Aber auch Elektroautofahrer kommen bei ihm schlecht weg.

https://p.dw.com/p/2r8SX
Mercedes-Benz GLC SUV
Bild: Getty Images/AFP/P. Stollarz

Deutsche Welle: Herr Hossiep, warum haben SUVs und Geländewagen einen solchen Erfolg auf dem deutschen Markt? In Städten sind solche dicken Autos doch total überflüssig.

Rüdiger Hossiep: Ja, aber der Mensch ist kein rationales Wesen, sondern ein rationalisierendes. Das heißt: Er hat für sein Handeln immer sehr gute Gründe. So ist das beim Autokauf auch. Die Leute sagen beispielsweise: "Im SUV kann ich höher sitzen." Wenn Sie aber nur höher sitzen wollen, dann können Sie sich auch einen Panda mit Allradantrieb kaufen, der kostet 15.000 Euro, und da sitzen Sie auch höher.

Es geht also um etwas ganz anderes als das hohe Sitzen?

Ja, es geht um das Image. Ein Auto ist der teuerste Konsumgegenstand, den Sie sich zulegen können. Man will sich nach außen präsentieren und ein Signal setzen.

Wenn also jemand sagt, dass er einen SUV aus gesundheitlichen Gründen kauft, etwa weil er Hüftprobleme hat - ist das nur vorgeschoben?

Rüdiger Hossiep
Rüdiger Hossiep ist Wirtschaftspsychologe an der Ruhr-Universität BochumBild: DW/C.Heinemann

Wir können davon ausgehen, dass die Leute, die so etwas sagen, das aus tiefstem Herzen glauben. Aber so ein Geländewagen vermittelt vor allem ein Gefühl der Überlegenheit: Es geht darum, mit mehr Masse aufzutreten. Und man behandelt Sie im Verkehr auch ganz anders.

Sprich, mit einem SUV erkauft man sich Respekt auf der Straße?

Genau. Das können Sie auch experimentell prüfen. Stellen Sie sich an eine Straßenkreuzung vor eine rote Ampel, und zwar mit zwei unterschiedlichen Wagen. Zuerst zum Beispiel mit einem Jeep Grand Cherokee - am besten noch in schwarz, die SRT-Ausführung, also so ein Ding mit  500 PS - und dann mit einem Fiat Cinquecento. Die Ampel springt auf Grün, und Sie messen die Zeit, bis der Erste anfängt zu hupen. Ich glaube, man muss kein Prophet sein, um zu wissen, was bei dieser Studie herauskommt.

Wer kauft denn bevorzugt solche große Wagen?

Es gibt zum Beispiel viele Frauen, die kleine SUVs fahren. Warum - darüber können wir nur spekulieren. Aber ich denke, die fühlen sich dann sicherer.

Ist ein Geländewagen tatsächlich sicherer als ein Kleinwagen?

Ja und nein. Die Frage ist, wie das Unfallgeschehen ist. Wenn es ein Zusammenprall mit einem anderen Fahrzeug ist, dann hat der schwerere Gegenstand gegenüber dem Unfallgegner tatsächlich einen Vorteil. Andererseits haben schwere Autos auch einen längeren Bremsweg. Und es kommt auch auf das jeweilige Modell an, wie es gebaut ist und wie effektiv die Sicherheitssysteme sind.

Fahren SUV-Fahrer eigentlich aggressiver oder haben die das nicht mehr nötig?

Das kommt immer drauf an. Nach unseren Profilen sind die Leute, die echte Geländewagen fahren, deutlich gelassener.

Autoshow Detroit 2018 - Jeep Cherokee im Wald
Das verspricht die Autowerbung. Aber dann steht man mit dem Geländewagen im Stau auf der Autobahn.Bild: FCA

Es heißt ja, dass Amerikaner gerne besonders große Autos fahren. Hat man in den USA ein anderes Verhältnis zu SUVs?

Amerikaner fahren häufig gar keine SUVs, sondern Trucks, also Pick-Ups, die 2,5 Tonnen wiegen. Da kann ich dann hinten noch ein Rind aufladen oder eine Tonne Feuerholz. An den Küsten in den großen amerikanischen Städten ist das natürlich wieder ganz anders.

Sprich, Amerikaner kaufen im Gegensatz zu den Deutschen Geländewagen, weil sie sie tatsächlich brauchen?

Größtenteils ja, auch aufgrund vieler unbefestigter Straßen. Außerdem machen Amerikaner aber auch ganz andere Sachen mit ihrem Wagen: Sie fahren zum Beispiel damit zum Angeln in einen Fluss. Das ist in Deutschland natürlich nicht erlaubt. Auch ist es für Amerikaner viel wichtiger, dass ein Auto funktionell ist, das heißt, dass es nicht kaputt geht, einen geringen Wartungsaufwand hat und einfach zu reparieren ist. Unsere Hightech-Autos kann man ja nur schwer reparieren.

Viele Menschen sagen nun, sie wollen keinen Geländewagen und kaufen stattdessen einen Tesla oder einen Hybridwagen. Was treibt die Menschen an, das Geld in so einen teuren Wagen zu investieren?

Die eigene Psychohygiene. Es geht überhaupt nicht darum, was wirklich ist, sondern ein gutes Gewissen zu haben.

Also es geht nicht um Umweltschutz?

Elon Musk präsentiert Tesla-Fahrzeug Modell 3
Einen Tesla fährt man nicht aus Umweltschutzgründen, sagt Rainer HossiepBild: picture allianc/dpa/A. Sokolow

Nein. Wenn es ein reines Elektroauto ist wie ein Tesla etwa, dann ist das sogar die Pessimal-Lösung für die Umwelt: Wir haben eine enorme Umweltbelastung bei Produktion und Entsorgung der Batterien. Der Betrieb des Autos fällt dabei kaum ins Gewicht.

 

Mehr dazu: Industrie warnt vor Rohstoff-Knappheit durch Elektroauto-Batterie 

 

Ist ein Tesla also eher ein Statussymbol?

Ja, das Statussymbol, sich vermeintlich umweltgerecht zu verhalten. Das ist, wie wenn ein Veganer aus tiefster Überzeugung erzählt, wie ökologisch er als Veganer lebt und dann sagt: "Mein Hobby sind Fernreisen." Aber diesen Widerspruch ziehen die Leute für sich selber glatt.

Fahren Leute mit einem Elektroauto denn wenigstens rücksichtsvoller und kraftsparender?

Ja, das müssen sie. Sonst kommen sie ja nicht weit.

 

Rüdiger Hossiep ist Wirtschaftspsychologe an der Ruhr-Universität Bochum. Er hat einen Fragebogen entwickelt, mit dem jeder sein individuelles Autofahrerprofil messen kann, also welches Auto für einen selbst das passendste ist.

Das Interview führte Brigitte Osterath.