Die Emotionen des Partners richtig lesen
22. Juni 2020Ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen und eine sanfte Berührung oder verschränkte Arme und ein spöttisch verzogener Mund - Mimik und Körpersprache sagen oft mehr über die eigene Gefühlslage aus als Worte es können.
Emotionen richtig zu erkennen, ist ein wichtiger Grundbaustein für menschliche Kommunikation - vor allem in einer Partnerschaft. Wie wichtig, das zeigt eine neue Studie von Psychologen der University of Rochester und der University of Toronto.
Das Ziel der Studie: herausfinden, unter welchen Umständen eine Beziehung durch das korrekte Erkennen der Emotionen des Partners profitiert und wann sie darunter leidet.
Das Ergebnis: Paare, die in der Lage sind, die sogenannten Beschwichtigungsemotionen des Partners richtig zu erkennen, sind generell glücklicher.
Die Gefühle des Partners schätzen
Hinter dem Begriff Beschwichtigungsemotionen verbergen sich Gefühle wie zum Beispiel Scham oder Schuldbewusstsein. Zwei selbstreflektive Emotionen, die der Mensch in den ersten zwei Lebensjahren entwickelt.
"Wer versucht zu beschwichtigen oder Scham zugeben kann, der signalisiert dem Partner, dass ihm die Gefühle des anderen wichtig sind", sagt Bonnie Le, Studienautorin und Assistenzprofessorin im Department of Psychology der University of Rochester.
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Der soziale Status
Selbst die glücklichstePartnerschaft kommt nicht ohne Konflikte aus. Im Streit mit dem Partner gibt es zwei Möglichkeiten: den sozialen Hochstatus oder den Tiefstatus für sich beanspruchen.
Der Hochstatus bedeutet, dem Partner durch Ärger und Verachtung zu signalisieren, dass man sich im Recht fühlt. Wer hingegen Scham oder Schuldbewusstsein zeigt, der begibt sich in den sozialen Tiefstatus und startet damit das, was der Mimik- und Körperspracheexperte Dirk Eilert als "nonverbalen Reparaturversuch" bezeichnet.
Emotionsorientiert kommunizieren
Und das wiederum ist ein Indiz für eine funktionierende Beziehung. "Empathie ist sehr wichtig. Wenn ich die Emotionen meines Partners richtig deute, dann kann ich auch meine Worte mit Bedacht wählen", sagt Eilert. Dabei kommt es aber nicht nur auf die richtigen Worte, sondern auch den passenden Moment an.
"Emotionsorientiert zu kommunizieren funktioniert deshalb so gut, weil der Partner dann unseren Worten leichter folgen kann und Informationen besser verdaut. Ebenso fühlt sich unser Gegenüber als Mensch gesehen", sagt Eilert. Schließlich gehe es in der Kommunikation nicht nur ums Senden einer Botschaft, sondern auch um das Empfangen und Wahrnehmen der Reaktion des Gegenübers.
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Verachtung ist besonders gefährlich
Ein weiteres Ergebnis der Studie überraschte die Psychologen. Bereits das bloße Empfinden von negativen Gefühlen wie Wut oder Verachtung ist destruktiv für die Beziehung.
"Wenn Sie Drohgebärden Ihres Partners wahrnehmen, dann kann das Ihr Vertrauen in die Beziehung erschüttern", sagt Bonnie Le. Paare, bei denen ein Partner diese Gefühle empfindet, sind folglich generell unglücklicher. Egal, ob diese Emotion richtig erkannt wurde oder nicht.
"Ekel und Verachtung dienen im Konflikt als Abgrenzung. Sie sind unser psychisches Immunsystem", sagt Eilert. Wenn sie sich als Muster in der Kommunikation etablieren, dann kann das ein Indiz dafür sein, dass die Beziehung auf ihr Ende zusteuert.
Schatz, bitte ändere das!
Außerdem wollten die Psychologen mehr darüber erfahren, ob sich die korrekte Wahrnehmung der Emotionen positiv darauf auswirkt, den Wünschen des Partners entsprechen zu wollen.
Dafür ließen sie die Paare in einer kontrollierten Umgebung einen Änderungswunsch an ihren Schatz formulieren - zum Beispiel gewisse Verhaltensweisen abzulegen oder das eigene Temperament zu zügeln.
Anschließend mussten die Teilnehmer ihre eigene Wahrnehmung der Emotionen des Partners beschreiben, ebenso wie die Qualität der Beziehung und sagen, ob sie motiviert sind, dem Wunsch zu folgen.
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Verlegen sein lohnt sich
Das Ergebnis: wer die Emotionen des Partners gut deuten kann, der ist trotzdem nicht motivierter, sein Verhalten für die Person zu ändern. Wer besagte Änderungswünsche mit einer Dosis Verlegenheit garniert, ist jedoch im Vorteil.
"Man signalisiert: Mir ist bewusst, dass dich mein Wunsch nach Änderung vielleicht verletzt. Aber ich bin bereit, diese Gespräche mit dir zu führen und möchte in unsere Beziehung investieren", sagt Le.
Emotionen erkennen ist nicht so leicht
Die Emotionserkennungsrate in der Bevölkerung liegt laut Eilert nur bei knapp 60 Prozent. Das ist das Ergebnis eines Versuchs, bei dem 2000 Probanden 49 Bilder von kulturell übergreifenden Gesichtsausdrücken und Emotionen gezeigt wurden. "Mehr als jeder zweite Gesichtsausdruck wird falsch interpretiert", sagt Eilert.
Die Ursachen für den verhältnismäßig niedrigen Wert sind vielfältig. Zum einen wirkt sich der immer stärker zunehmende Medienkonsum negativ aus. "Es ist mittlerweile normal in Gesellschaft, mehr aufs Handy als dem anderen ins Gesicht zu schauen", sagt Eilert.
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Das Problem dabei: das Gehirn beschäftigt sich dadurch immer weniger mit der korrekten Interpretation von Gesichtsausdrücken und Emotionen und verlernt diese – nach dem Motto: "Use it or lose it".
Worte haben mehr Stellenwert
Auch die Erziehung im Kindesalter ist ein Faktor. "Erziehung versaut uns in gewisser Weise die Wahrnehmung. Gerade als Kind hat der Mensch eine gute Auffassungsgabe für Emotionen in Form von Mimik und Körpersprache", sagt Eilert.
Eine klassische Situation: die Eltern streiten, das Kind fragt wieso. "Anstatt ehrlich zu antworten sagen Eltern häufig, 'Wir streiten nicht, wir diskutieren'", sagt Eilert. Dem Kind wird also die eigentlich richtige Interpretation als falsch verkauft.
Die dritte Ursache ist der hohe Stellenwert von Sprache in der Gesellschaft. "Mit zunehmender Sprachgewandtheit vergessen wir, dass wir eigentlich nonverbale Wesen sind. Als Kleinkind orientiert sich der Mensch sehr an Körpersprache. Das vergeht und man vertraut mehr auf Worte", sagt der Mimik- und Körpersprachenexperte.
Beim nächsten Treffen mit Freunden oder dem Rendezvous mit dem Partner das Handy einfach mal in der Tasche zu lassen und dem Gegenüber aufmerksam ins Gesicht zu schauen, lohnt sich also in doppelter Hinsicht.