Puigdemont nennt politische Gefangene "Schande für Europa"
6. April 2018- Freilassung nur gegen Auflagen
- Auslieferung an Spanien wegen "Rebellion" unzulässig
- Tauziehen um Auslieferung geht aber weiter
Nach knapp zwei Wochen Haft in Deutschland ist Carles Puigdemont unter Auflagen wieder auf freiem Fuß. Umringt von Dutzenden Journalisten gab der 55-Jährige vor dem Gefängnis eine kurze Erklärung ab. Darin bezeichnete er politische Gefangene als "Schande für Europa" und forderte zugleich die Freilassung weiterer inhaftierter Mitstreiter. Der Kampf für die katalanische Unabhängigkeit sei auch ein Kampf für Demokratie, so Puigdemont. In Spanien seien die Gewaltenteilung und die Menschenrechte in Gefahr.
Gleichzeitig rief Puigdemont die spanische Regierung zum Dialog auf. Es sei nun die Zeit für einen Dialog gekommen. Es gebe keine Rechtfertigung für die spanische Zentralregierung, nicht in Gesprächen mit den katalanischen Führern über eine Lösung des Konflikts zu beraten, sagte er auf Englisch.
Die Generalstaatsanwaltschaft von Schleswig-Holstein hatte am Donnerstag zwar einen Auslieferungsbefehl erlassen, ihn aber unter Auflagen ausgesetzt. "Ich möchte mich bei allen bedanken für Ihre Hilfe und Solidarität. Vielen Dank", sagte Puigdemont auf Deutsch. Sein spanischer Anwalt Jaume Alonso-Cuevillas wertete die deutsche Gerichtsentscheidung als "großen Erfolg".
Nur unter Auflagen frei
Zu den Auflagen der Haftentlassung gehörte unter anderem die Hinterlegung einer Kaution von 75.000 Euro. Die separatistische Organisation ANC (Katalanische Nationalversammlung) teilte auf Twitter mit, dass die Kaution aus der sogenannnten "Solidaritätskasse" der ANC und des Kulturvereins Omnium Cultural bezahlt wurde. Außerdem darf Puigdemont Deutschland nicht verlassen, muss jeden Wechsel seines Aufenthaltsorts mitteilen, sich einmal wöchentlich bei der Polizei in Neumünster melden und Ladungen der Justiz Folge leisten.
Das Oberlandesgericht hatte den Auslieferungshaftbefehl überraschend allein wegen des Vorwurfs der Untreue erlassen - den von der spanischen Justiz vorgebrachten Hauptvorwurf der Rebellion verwarfen die Schleswiger Richter. Diese Entscheidung hat für Puigdemont und seinen Zwist mit der spanischen Justiz weitreichende Folgen. Sollte er wegen des Untreuevorwurfs nach Spanien ausgeliefert werden, ist dort eine Verfolgung wegen Rebellion nicht möglich. Auf "Rebellion" stehen in Spanien bis zu 25 Jahre Gefängnis, der Vorwurf der Untreue wiegt weiter weniger schwer. "Der Vorwurf der Rebellion ist endgültig vom Tisch", sagte Puigdemonts deutscher Anwalt Wolfgang Schomburg.
Bundesregierung erwartet keine negativen Auswirkungen
Das Oberlandesgericht signalisierte, dass beim Vorwurf der Untreue "noch weitere tatsächliche Umstände zu klären und weitere Informationen einzuholen" seien. Anhaltspunkte dafür, dass Puigdemont der Gefahr einer "politischen Verfolgung" in Spanien ausgesetzt wäre, sah das Gericht nicht. Ob der Katalane am Ende tatsächlich von Deutschland an Spanien ausgeliefert wird, muss abschließend die Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig-Holstein entscheiden. Allerdings kann Puigdemont gegen eine mögliche Auslieferungsentscheidung dann noch Beschwerde einreichen.
Der ehemalige Regionalpräsident von Katalonien war am 25. März im Gefängnis von Neumünster in Gewahrsam gekommen, nachdem er auf der Rückfahrt von einer Skandinavienreise in Schleswig-Holstein gestoppt worden war. Grundlage war ein Europäischer Haftbefehl Spaniens. Die Generalstaatsanwaltschaft von Schleswig-Holstein hatte das spanische Auslieferungsersuchen für zulässig erachtet und beim Oberlandesgericht einen Auslieferungshaftbefehl beantragt.
Negative Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Spanien und Deutschland erwarte die Bundesregierung nicht, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Auch der spanische Justizminister habe sich schon entsprechend geäußert. "Darum kann ich eigentlich nicht erkennen, dass es da irgendwelche Belastungen gäbe." In Madrid hatte ein Regierungssprecher am Donnerstagabend erklärt, richterliche Entscheidungen würden niemals kommentiert und immer respektiert. Vertreter der Separatisten feierten die Entscheidung der deutschen Richter und warfen der spanischen Justiz vor, politischen Interessen zu folgen.
Puigdemont noch lange nicht aus dem Schneider
Verschiedene politische Beobachter gehen davon aus, dass die spanische Regierung den europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont nun ein zweites Mal aussetzen könnte. Nachdem der frühere katalanische Regionalpräsident im vergangenen Jahr ins Exil nach Brüssel geflüchtet war und dort ungehindert politisch agieren durfte, zog Spanien den zunächst beantragten europäischen Haftbefehl im Dezember schon einmal zurück.
Allerdings besteht der nationale Haftbefehl in Spanien weiter. Da dem Katalanen dort bis zu 30 Jahre Haft wegen Rebellion drohen, wäre Puigdemont dann vorerst weiter zum Leben im Exil gezwungen.
rk/sti (AFP, dpa, rtr)