Punkrock in Peking
19. April 2007Sie wollen ihr Leben auf ihre eigene Art leben, sich lossagen vom politischen System, wollen anders sein als andere in diesem Milliarden-Volk. Deshalb machen sie Musik. Mit Punk-, Rock- und Blues-Musik ziehen sie durch Pekings nächtliche Club-Landschaft und treten für wenig Geld auf. An oberster Stelle steht die Individualität. Keiner von ihnen möchte im Gleichschritt mit dem Rest der Gesellschaft gehen. Ihnen allen sind der Konsumzwang und der Leistungsgedanke in der sich rasch entwickelnden chinesischen Hauptstadt zuwider: Fünf chinesische Bands, die der deutsche Dokumentarfilm "Beijing Bubbles" von Susanne Messmer und George Lindt porträtiert. Am Donnerstag (19.04.) läuft er in deutschen Kinos an.
Bian Yuan, der Sänger von "Joyside", trägt ein rosafarbenes Hemd mit schwarzen Herzen. Das Gesicht wird von einer knallroten Sonnenbrille im Retro-Style und wuscheligem, schwarzen Haar bedeckt. "Ich will nur singen, trinken und ficken", konstatiert er gelassen vor laufender Kamera. Seine Freundin, die neben ihm sitzt, kichert. Die Simplizität dieser Aussage spiegelt ein Charakteristikum des Punkrock wider - die Einfachheit. Bei den ersten Auftritten bestand die Band grade mal aus Sänger, Bassist und Schlagzeuger. Aus einer Wohngemeinschaft hatte sich binnen kürzester Zeit eine Punk-Band entwickelt. Angestachelt durch die Musik von den "Sex Pistols" und inspiriert vom Leben in einer heruntergekommenen Wohnung, schrieb Bian Yuan den ersten Song. Im Jahr 2004 erschien das erste Album "Drunk Is Beautiful".
Auch die Frontfrau von "Hang On The Box", Wang Yue, braucht ihren eigenen Raum, ihre Bubble (Seifenblase), um kreativ arbeiten zu können: "Erst unter diesen schlechten Bedingungen und dieser bedrückenden Atmosphäre können wir richtige Musik machen." Auf ihrem weißen T-Shirt mit rundem Ausschnitt leuchten dicke rote Buchstaben. Ein fingerloser Handschuh kleidet die rechte Hand. Leder- und Nietenarmbänder bedecken Teile des linken Unterarms, Tätowierungen den Oberarm. Auf der Bühne rockt Wang Yue im schnellen Beat der Musik, ihre Arme bewegen sich im Rhythmus, kicken vor und zurück wie bei einer Boxübung.
Ausklinken aus der Gesellschaft
Die beiden Filmemacher Messmer und Lindt begeben sich in ihrer Reportage auf einen Streifzug durch Pekings Untergrund. Mit Bands wie "Joyside", "Hang On The Box" oder "New Pants" stoßen die beiden auf eine Subkultur in China. Die Punkrock-Bewegung, die im Europa des 21. Jahrhunderts längst verebbt ist, zählt im Reich der Mitte noch zu einer sehr jungen Strömung. Doch der dahinter liegende Gedanke bleibt derselbe: Verachtung der gesellschaftlichen Normen, Ablehnung von und Auflehnung gegen staatliche Richtlinien. "Ich bin ein Außenseiter. Das ist mein Leben. Ich will kein Teil dieser Gesellschaft sein", bringt ein Bandmitglied von "New Pants" dieses Lebensgefühl auf den Punkt.
Nicht nur im Proberaum oder auf Konzerten ist die Kamera mit von der Partie. Darüber hinaus begleitet das Filmteam die chinesischen Künstler auch in ihre Privatwohnungen und zum Essen ins Restaurant. So entsteht ein Einblick in die Lebensweisen derer, die sich vom Mainstream nicht mitreißen lassen, sondern abseits vom vorgeschriebenen Weg ihre Träume und Ideale leben. Es entstehen auch Aufnahmen von der Stadt, von überfüllten Straßen und Geschäftsvierteln. Viele dieser Aufnahmen mussten wegen politischer Restriktionen heimlich gemacht werden.