Puri: "Wir brauchen Frauenquoten"
1. Dezember 2013DW: Welche Entwicklungen hat es in jüngster Zeit bei der Stärkung der Frauenrechte und der Gleichstellung der Geschlechter, einem der UN-Millenniumsziele, gegeben?
Lakshmi Puri: Es gibt Fortschritte beim ersten Zugang zu Schulbildung, bei der Alphabetisierung und auch bei der weiterführenden Schul- und der Universitätsausbildung. In manchen Ländern ist die Einschulungsrate bei Mädchen mittlerweile sogar höher als bei Jungen.
Darüber hinaus gibt es mittlerweile mindestens 33 Länder, in denen 30 Prozent der Parlamentsabgeordneten Frauen sind. Das ist immer noch wenig - aber ein Fortschritt im Vergleich etwa zum Beginn dieses Jahrhunderts, als es weniger als 20 Prozent waren. Allein in den vergangenen zwei Jahren sind sechs Parlamente mit einem Frauenanteil von mehr als 30 Prozent dazugekommen. In Ruanda etwa sind es 66 Prozent, im Senegal 46 Prozent, in Liberia 50 Prozent. Dennoch haben wir noch viel zu tun, nicht nur in Entwicklungsländern. In Indien ist seit sechs oder sieben Jahren eine Quotenregelung im Gespräch, sie wurde aber immer noch nicht durchgesetzt. Wir brauchen solche Maßnahmen wie eine Quote für weibliche Abgeordnete, um diese historische Ungleichheit abzuschaffen.
Was tut UN Women für die Stärkung der Frauenrechte?
UN Women setzt Standards und entwickelt Strategien, um die Gleichstellung der Geschlechter voranzubringen. Wir sind ein Wissenszentrum, sammeln geschlechtsspezifische Daten, erstellen Statistiken, überlegen uns, welche Strategien gebraucht werden und Erfolg versprechend sind. Wir suchen Kontakt zu gesellschaftlichen Organisationen und arbeiten mit der Privatwirtschaft zusammen, um sicherzugehen, dass auch sie ihren Beitrag leistet.
Wir sind in 85 Staaten präsent, um die Regierungen und die Zivilgesellschaften bei der Gleichstellung der Geschlechter zu unterstützen. Unsere Themen sind vor allem wirtschaftliche Unabhängigkeit, politische Teilhabe, ein Ende der Gewalt gegen Frauen, die Beteiligung von Frauen an der Friedens- und Sicherheitspolitik und eine Zuteilung von öffentlichen Geldern, die auf Gleichstellungsfragen ausgerichtet ist.
Welchen Beitrag leistet die deutsche Entwicklungszusammenarbeit zur Stärkung der Frauenrechte?
Wir sehen Deutschland als eine der führenden Nationen im Kampf um die Rechte der Frauen. Kanzlerin Angela Merkel als starke Führungspersönlichkeit ist eine Identifikationsfigur und Inspiration für Mädchen und Frauen auf der ganzen Welt. Wir schätzen auch die politische Unterstützung Deutschlands, unter anderem bei der Gründung von UN Women vor knapp drei Jahren. Auch sind wir dankbar für die bisherige finanzielle Unterstützung. Wir würden uns wünschen, dass Deutschland in Zukunft einer unserer Hauptförderer wird.
Auf welche Regionen konzentriert sich UN Women?
Unser Hauptaugenmerk liegt auf den Entwicklungsländern, insbesondere in Afrika. Wir haben dort drei Regionalbüros und sind in 22 Ländern vertreten. In Lateinamerika haben wir ein Regionalbüro und sind in zehn Ländern vertreten. Ähnlich ist es in Asien: Wir haben ein Regionalbüro für den asiatisch-pazifischen Raum und noch einige, die länderübergreifend arbeiten. Wir sind also dort, wo wir vor Ort gebraucht werden.
Was sind die besonders akuten Probleme für Frauen in Afrika?
Es gibt in Afrika einen riesigen Ballast aus Tradition, Kultur und Brauch - und den Denkweisen, die sich dadurch entwickelt haben. So ist eine Kultur der Geschlechterungleichheit und Diskriminierung entstanden, die tief verwurzelt ist. Zudem ist Armut weit verbreitet, was Frauen daran hindert, aus dieser Diskriminierung herauszukommen. Darüber hinaus spielen Frauen kaum eine Rolle bei Entscheidungen. Ihre gesellschaftliche Teilhabe ist immer noch sehr gering - auch auf politischer Ebene. Wenn sie aber keine Chance bekommen, an Entscheidungen mitzuwirken, können sie keine politischen oder gesetzlichen Veränderungen herbeiführen.
Es gibt einige schlimme Bräuche: das Verheiraten von Kindern, den Brautpreis, weibliche Genitalverstümmelung - wir haben rund 3.000 dieser grausamen Bräuche registriert, bei denen Frauen Gewalt angetan wird. Dennoch: Frauen dürfen nicht in erster Linie als Opfer gesehen werden, sondern sie müssen die größten Impulsgeber und Akteure eines Wandels sein.
Die gebürtige Inderin Lakshmi Puri ist stellvertretende Generalsekretärin und geschäftsführende Direktorin von UN Women, der UN-Organisation zur Stärkung von Frauenrechten und Gleichberechtigung. Sie hat unter anderem Geschichte, internationale Beziehungen und internationales Recht studiert.
Das Gespräch führte Jennifer Fraczek.