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Pussy Riot: Politik statt Punk

Anastassia Boutsko4. Dezember 2014

Der Hannah-Arendt-Preis 2014 geht an Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina. Die beiden Aktionskünstlerinnen haben die Auszeichnung für ihren Widerstand gegen die autoritäre russische Politik bekommen.

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Pussy Riot Nadeschda Tolokonnikova und Maria Aljochina
Bild: Mediazone

"Wir haben den beiden Frauen den Preis nicht aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu Pussy Riot verliehen, sondern weil sie sich für Häftlinge in russischen Gefängnissen einsetzen", sagte die Politikwissenschaftlerin und Jurorin des Hannah-Arendt-Preises, Antonia Grunenberg, im Interview mit der Deutschen Welle. "Sowohl in ihren Reden vor Gericht, wie auch in ihren Briefen aus der Zeit im Gefängnis und vor allem danach haben Nadeschda und Maria sehr deutlich gezeigt, dass sie mehr sind als Aktionskünstlerinnen: Sie sind Bürgerrechtlerinnen, die sich tatkräftig engagieren."

Maria Aljochina protestierte mit Hungerstreiks gegen die Misshandlungen und Schikanen im russischen Straflager, Nadeschda Tolokonnikowa schrieb in Briefen über die unmenschlichen Haftbedingungen. Weiterer Preisträger in diesem Jahr ist der ukrainische Schiftsteller Juri Andruchowytsch, eine der wichtigsten literarischen Stimmen der demokratischen Bewegung in seiner Heimat. Tolokonnikowa (im Artikelbild rechts) und Aljochina (links) wird der Preis in Abwesenheit verliehen.

Juri Andruchowytsch, das Gesicht der ukrainischen Literatur in Deutschland
Ebenfalls Preisträger: der ukrainische Schriftsteller Juri AndruchowytschBild: DW/B. Cöllen

Zwei Jahre Lagerhaft

Rückblick: Im Februar 2012 kreischen die beiden Frontfrauen der Punkband Pussy Riot von den Altarstufen der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale ihr feministisches Punk-Gebet: "Jungfrau Maria, Mutter Gottes, vertreibe Putin!" Nach der Aktion werden Tolokonnikowa und Aljochina zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt. Kurz vor Weihnachten 2013 kommen sie aufgrund einer Amnesie vorzeitig frei - aus der Öffentlichkeit sind die beiden Frontfrauen von Pussy Riot seither nicht mehr wegzudenken.

Nach ihrer Freilassung erklären beide, sie wollen sich für die Rechte der Inhaftierten und für Reformen im Land einsetzen. Im September 2014 gründen sie in Moskau die "Zone des Rechts", die juristische Hilfe für Inhaftierte organisieren soll. Es geht Tolokonnikowa und Aljochina vor allem darum, die Missstände in den Gerichten und Haftanstalten öffentlich zu machen. Sie rufen zur Solidarität mit Gefangenen auf, auch mit solchen, die wegen ihres Widerstands gegen das Putin-Regime bestraft wurden - so zum Beispiel junge Männer und Frauen, die nach den Protesten am Bolotnaja-Platz in Moskau im Mai 2012 festgenommen wurden.

Im Westen gefeiert, in Russland bespitzelt

Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina haben ein bewegtes Jahr mit zahlreichen öffentlichen Auftritten und Projekten hinter sich: Aktuell setzen sie sich gegen menschenunwürdige Haftbedingungen in Russland ein. Im Europa-Parlament hielten sie eine bemerkenswerte Rede und forderten dort Sanktionen gegen Moskau.

Pussy Riot im EU Parlament in Brüssel 01.04.2014
Politisch aktiv: Maria Aljochina bei ihrer Rede vor dem EU-Parlament (2014)Bild: DW/V. Over

Im Westen werden beide Frauen wie Rockstars gefeiert. Gerade sind sie von London nach New York geflogen. In "London-Grad" - so berichten sie stolz auf ihren Facebook-Seiten - gab es nicht nur zahlreiche Interviews mit Hörfunk, Print und Fernehen, sondern auch eine Begegnung mit Julian Assange. Der australische Whistleblower hält sich seit Juni 2012 in der ecuadorianischen Botschaft in London auf, wo er die "russische Delegation" auch Ende November 2014 empfing. Was verbindet die Frontfrauen von Pussy Riot und Assange? "Es sind einfache und allgemeine Dinge wie Meinungsfreiheit, wenn man über uns spricht und Informationsfreiheit, wenn man über ihn redet", erklärte Maria Aljochina nach dem Treffen.

Aktion bei den Olympischen Spielen in Sotschi

In Russland werden Aljochina und Tolokonnikowa nur noch von einem immer kleiner werdenden, kritischen Öffentlichkeit wahrgenommen. Dennoch sehen sie den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit vor allem im "Putin-Land". Ihren letzten Auftritt als "Pussy Riot" hatte die Gruppe, die ein loser Zusammenschluss von einem Dutzend Frauen ist, im Februar 2014. Während der Olympiade in Sotschi haben die Mitglieder der Band, darunter auch Maria und Nadeschda, ein Video für ihren neuen Song "Putin lehrt Euch die Liebe zu Eurem Vaterland" gedreht.

Pussy Riot-Aktivisten in Berlin

Auch wenn ihnen die internationale Popularität einen gewissen Schutz bietet – sicher fühlen sich Tolokonnikowa und Aljochina nicht. Sie berichten von permanenter Überwachung: von Männern, die sie beobachten, ein Handy am Ohr halten, ohne dabei zu sprechen. Trotzdem die beiden Aktivistinnen wollen noch weiter gehen: Sie schließen nicht aus, künftig in die Politik zu gehen und für das Moskauer Stadtparlament zu kandidieren.