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PolitikSüdafrika

Putin nicht bei BRICS-Gipfel: Erleichterung für Südafrika

Martina Schwikowski
22. Juli 2023

Wladimir Putins Entscheidung, nicht zum BRICS-Gipfel zu reisen, entspannt für Südafrika die Situation. Der Gastgeber wahrt sein Gesicht als Rechtsstaat, sagen Experten. Und auch die Freundschaft zu Russland.

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Cyril Ramaphosa bei Wladimir Putin vor einer Reihe Fahnen
Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa und Präsident Wladimir Putin in Russland im Juni - jetzt bleibt Putin Südafrika fernBild: Ramil Sitdikov/TASS/dpa/picture alliance

Das außenpolitische Dilemma Südafrikas hat sich in Luft aufgelöst - Russlands Präsident Wladimir Putin wird im August nicht zum BRICS-Gipfel nach Johannesburg reisen. Damit enden nicht nur Spekulationen um mögliche Konsequenzen, hätte der russische Präsident südafrikanischen Boden betreten. Auch kann die Agenda des Treffens der fünf Staats- und Regierungschefs der Teilnehmer-Staaten Brasilien, Indien, China, Südafrika und Russland ungehindert diskutiert werden - und Putin wird voraussichtlich per Video-Schalte dabei sein.

Digitales Gruppenfoto von Cyril Ramaphosa, Xi Jinping, Jair Bolsonaro, Wladimir Putin und Narendra Modi beim BRICS-Gipfel 2022
2022 - wenige Monate nach Einmarsch Russlands in die Ukraine - fand der BRICS-Gipfel auf Chefebene noch komplett digital stattBild: Li Tao/Xinhua/picture alliance

Keinen Krieg mit Russland riskieren

Als Ersatz schickt Putin Außenminister Sergej Lawrow nach Südafrika, das somit aus der politischen Zwickmühle befreit ist: den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag (IStGH) gegen Putin nach seiner Ankunft auszuführen. Südafrika hat das Römische Statut unterzeichnet, nach dem der IStGH 2002 seine Arbeit begonnen hat. Das Strafgericht, das sich mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit befasst, beantragte im März die Festnahme Putins mit dem Vorwurf, Russland habe ukrainische Kinder unrechtmäßig deportiert.

Außenansicht des Internationalen Strafgerichtshofs in den Niederlanden
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat Haftbefehl gegen Russlands Präsidenten Putin erlassenBild: Klaus Rainer Krieger/reportandum/IMAGO

Lange hatte sich Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa gewunden, hatte das Strafgericht um eine Ausnahmeregelung gebeten mit der Begründung: Die Verhängung des Arrests könne die "Sicherheit, den Frieden und die Ordnung des Staates" gefährden. "Es wäre unvereinbar mit unserer Verfassung, einen Krieg mit Russland zu riskieren", sagte Ramaphosa in einer schriftlichen Stellungnahme an das Gericht. Allerdings ist Südafrika obendrein ein enger Verbündeter Russlands.

Südafrika unter Druck

Südafrika wäre in eine sehr schwierige Lage geraten, sagt dazu Analyst Daniel Silke in Kapstadt. "Es hätte die Möglichkeit bestanden, dem Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs nachzukommen, und das hätte Südafrika in Verlegenheit gebracht", sagt Silke im DW-Interview. "In Anbetracht der Tatsache, dass zwischen den beiden Ländern eine starke Bindung besteht, wurde von russischer Seite beschlossen, die für Moskau wichtigen Beziehungen nicht zu belasten."

Die Beziehungen sind in den vergangenen Jahrzehnten gewachsen: Die Sowjetunion hat Südafrikas Afrikanischen Nationalkongress (ANC) im Anti-Apartheidkampf unterstützt. Im Krieg gegen die Ukraine bezeichnet sich Südafrika offiziell als neutral, unternimmt Vermittlungsversuche für eine friedliche Lösung des Konflikts. Doch nun setzte die die größte Opposition, der Demokratischen Allianz (DA), die Regierung unter Druck. Die DA hatte auf Einhaltung der internationalen Verträge und zur Verhaftung Putins bei Einreise gedrängt.

Gruppenfoto der Außenminister auf einer Terasse
Die BRICS-Außenminister trafen sich vor wenigen Wochen zu Gesprächen in KapstadtBild: Foreign Ministry Press Service/ITAR-TASS/IMAGO

Allerdings war es laut Silke immer unwahrscheinlich, dass Putin Südafrika anlässlich des BRICS-Gipfels vom 22. bis 24. August in Johannesburg tatsächlich einen Besuch abstatten würde. Das Gipfeltreffen der Schwellenländer wäre von der Anwesenheit Putins und seiner möglichen Festnahme überschattet und im Kerngeschäft abgelenkt gewesen, sagt Silke. Das bestehe darin, einen Weg zu finden, eine Art Gleichgewicht oder Gegengewicht zum Einfluss des Westens zu schaffen.

"Und genau das ist es, was Russland und China wollen", so Silke. Das sei "der Schlüssel" gewesen zu Einigung, dass Putin nicht anreist. Aber natürlich habe der internationale Druck, insbesondere das Urteil des Strafgerichtshofes, Putin wirklich daran gehindert, sich über Moskau hinaus zu bewegen: "Es hat seine Bewegungsfreiheit eingeschränkt, und zweifellos wird dies seine Bewegungsfreiheit in vielen anderen Teilen der Welt einschränken", sagt Silke zur DW.

Der politische Ökonom Ronak Golpaldas sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, das Ergebnis erlaube es der Ramaphosa-Regierung, ihre Position als eine Regierung zu behaupten, die die Rechtsstaatlichkeit respektiert.

Zorn des Westens vermieden

Das Gesetz sei in Bezug auf die Verpflichtungen Südafrikas sowohl im Inland als auch auf internationaler Ebene unmissverständlich. "Sie hätten Putin verhaften müssen, wenn er angekommen wäre. Wäre dies nicht geschehen, hätte Pretoria eine Menge Ärger bekommen - nicht nur in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit, sondern auch im Hinblick auf die Reaktion der Wirtschaft und der internationalen Gemeinschaft", sagt Golpaldas.

Rand-Geldscheine in einem schwarzen Portemonnaie
Ein Besuch Putins in Südafrika hätte enorme Auswirkungen auf die Finanzmärkte gehabt Bild: Janusz Pienkowski/Zoonar/picture alliance

Die Auswirkungen auf die Finanzmärkte wären tiefgreifend gewesen wären. Der südafrikanische Rand ist angesichts der angeschlagenen Wirtschaft und einer gigantischen Stromkrise in Südafrika bereits stark geschwächt.

Auch Doudou Sidibé, Professor für internationale Beziehungen an der Gustave-Eiffel-Universität in Paris, hatte befürchtet, wenn Südafrika Putin nicht festnehme, werde es "die Wut oder Kritik der westlichen Ländern auf sich ziehen". Südafrika wäre als ein Land abgestempelt gewesen, das internationale Bestimmungen missachtet, so Sidibé. Das Gespräch mit Putin habe die Lage sowohl für den südafrikanischen Präsidenten als auch für die Opposition beruhigt.

Mitarbeit: Vincent Niebede