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Energiesparlampen in der Kritik

28. Dezember 2011

Industrie, Politik und Umweltverbände setzen große Hoffnungen auf die Energiesparlampe als Ersatz für die Glühbirne. Doch unumstritten ist die Neue nicht – vor allem wegen ihres Gehalts an giftigem Quecksilber.

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Junge blonde Frau hält eine alte Glühbirne und eine Energiesparlampe in den Händen
Bild: picture-alliance / chromorange

Am 17. Februar 2009 beschließt die EU-Kommission per Verordnung das Ende der klassischen Glühlampe. Seitdem werden Glühlampen in der Europäischen Union stufenweise vom Markt genommen und durch effizientere Leuchtmittel ersetzt – meist durch eine kompakte Leuchtstoffröhre, die umgangssprachlich Energiesparlampe genannt wird.

Dabei sollen die Energiesparlampen den Klimawandel verlangsamen, weil sie bei höherer Lichtausbeute weniger Strom verbrauchen und damit CO2-Emissionen verringern. 30 Millionen Tonnen pro Jahr könnten so eingespart werden. Grund genug für die EU-Kommission, die Karriere der alten Glühbirne, die nur 5 % der zugeführten Energie in sichtbares Licht und den Rest in Wärme umwandelt, zu beenden. Endlich scheint der Auftritt der neueren und teureren Energiesparlampe gekommen zu sein. Die Industrie ist zufrieden, weil sich mit ihr mehr Geld verdienen lässt. Die Politiker sind zufrieden, weil sie einen Erfolg im Kampf gegen den Klimawandel vorzuweisen haben. Und auch Umweltorganisationen wie Greenpeace und der WWF heißen die Energiesparlampe willkommen.

Niklas Schinerl, Energiesprecher Greenpeace Österreich, Copyright: Greenpeace
Nicht restlos glücklich mit der Energiesparlampe: Niklas Schinerl, Energiesprecher Greenpeace ÖsterreichBild: Greenpeace

Niklas Schinerl, Energiesprecher von Greenpeace Österreich, wünscht sich schon lange, dass die Glühbirne vom Markt genommen und durch effiziente Beleuchtungssysteme ersetzt wird.

Quecksilber und Flimmern

Doch als bekannt wird, dass Energiesparlampen hochgiftiges Quecksilber enthalten und wie Sondermüll zu entsorgen sind, verschlechtert sich ihr Image als energieeffizientes und langlebiges Leuchtmittel.

Viele Umweltverbände haben lange die Nachteile der Energiesparlampe ignoriert. Eigentlich ist sie technisch gesehen eine aufwändige Variante einer Leuchtstoffröhre und strahlt ein Lichtspektrum aus, das weit weniger dem Sonnenlicht entspricht als das des Glühbirnenlichts. Auch das für Leuchtstoffröhren typische Flimmern, dessen Wirkung auf den menschlichen Organismus noch ungeklärt ist, war lange kein Thema. Ebenso wenig wie die von der Industrie behauptete vielfach längere Lebensdauer der Energiesparlampe – ein Werbe-Argument, das sich als halbe Wahrheit entpuppte.

Christoph Mayr, Regisseur von „Bulb Fiction“, Copyright: Kurt Zechner, Skip-Magazin
Christoph Mayr, Regisseur von „Bulb Fiction“ kritisiert die Rolle der IndustrieBild: Kurt Zechner

Der österreichische Filmemacher Christoph Mayr hat in seiner Dokumentation "Bulb fiction" nachzuweisen versucht, dass die Glühlampen-Verordnung auf Druck der Industrie zustande kam: "Das Glühlampenverbot ist ein einmaliger Eingriff in die Rechte der EU-Bürger", sagt Mayr, "denn es wurde zum ersten Mal ein Produkt verboten, das nicht gefährlich ist!"

Umweltschäden für Klimanutzen?

Mit der Energiesparlampe kommt ein Produkt flächendeckend auf dem Markt, das bis zu fünf Milligramm Quecksilber enthalten darf – schon in geringeren Dosen ein hochgiftiger Stoff. Energiesparlampen müssen daher als Sondermüll entsorgt werden. Doch nur etwa 20 % von ihnen werden tatsächlich recycelt. Der Rest landet im Hausmüll. Für einen "Skandal" und "groben Unfug" hält etwa der Strahlenphysiker Georg Steinhauser vom Atominstitut der TU Wien das Analyse-Verfahren, das die EU zur Bestimmung des Quecksilber-Gehalts von Energiesparlampen anwendet. "Die Mängel beruhen darauf", so der Wissenschaftler, "dass man den Gehalt an Quecksilber erst nach Zerstören der Lampe bestimmen kann und mit dem Zerstören die gasförmigen Bestandteile entweichen. Das bleibt unkommentiert in der Verordnung. Das heißt, hier ist ein systematischer Fehler, der die Analyseergebnisse möglicherweise dramatisch verfälscht."

Georg Steinhauser, Strahlenphysiker am Atominstitut der TU Wien, Copyright: Georg Steinhauser
"Zu viel Quecksilber", meint Georg Steinhauser, Strahlenphysiker am Atominstitut der TU WienBild: Georg Steinhauser

Jedem Wissenschaftler hätte das auffallen müssen, sagt Steinhauser, der seine eigenen Untersuchungen publik machen will, sobald sie wissenschaftlich erhärtet sind. Denn 2014 steht die Evaluierung der Brüsseler Verordnung an: "Meines Erachtens sind die höchst zulässigen 5 Milligramm, oder selbst wenn es nur 1 Milligramm wäre - das ist in etwa die technische Grenze, mit der man Energiesparlampen erzeugen kann - Werte, die ich in meiner Atemluft nicht haben möchte."

"Nicht glücklich"

Steht also die Quecksilber-Belastung durch die Energiesparlampe überhaupt noch in einem akzeptablen Verhältnis zur versprochenen Energieeinsparung? Greenpeace-Sprecher Niklas Schinerl spricht immerhin von 30 Millionen Tonnen CO2-Einsparungen jährlich. "Unserer Berechung nach würden circa ein halbes Dutzend Atomkraftwerke abgeschaltet werden, wenn wir hier die Beleuchtung flächendeckend einsparen könnten", so Schinerl. "Das ist ja nicht wenig! Dass Greenpeace nicht glücklich ist damit, dass es Haushaltsgeräte gibt, wo Quecksilber drin ist, das steht ja außer Frage!"

Ab 1. September 2012 dürfen in der Europäischen Union jedenfalls nur noch Lampen der Energieeffizienzklasse C auf den Markt kommen – das endgültige Aus für die klassische Glühlampe.

Autor: Alexander Musik
Redaktion: Helle Jeppesen