Quo vadis, Griechenland?
10. Januar 2004In den letzten zwei Jahren zeigten die Umfragen einen Vorsprung der konservativen Partei Néa Dimokratía von circa acht Prozent in der Gunst der Wähler. Diesen großen Abstand konnte die bislang von Konstantin Simitis geführte Panhellenische Sozialistische Bewegung (PASOK) auch nicht durch ein im Herbst 2003 beschlossenes Sozialmaßnahmen-Paket für Leistungsschwächere verringern. Alles wies auf eine sichere Niederlage der PASOK bei den ursprünglich für April vorgesehenen Wahlen hin. Die schlechten Wahlaussichten erklären demzufolge den überraschenden Rücktritt Simitis` in einer Fernsehansprache am 7. Januar 2004.
Gleichzeitig stellt der Rücktritt ein Novum dar: Kostas Simitis ist der erste griechische Premier, der vom Parteivorsitz zurücktritt, um so den Weg für die nächste Politikergeneration zu ebnen. Zur Erinnerung: Noch 1996 hielt der damals todkranke Premier Andreas Papandreou an seinem Posten fest und kam seinen Pflichten sogar aus dem Krankenhaus nach.
Die Macht der Dynastien
Anderseits bedeutet Erneuerung nicht das Ende der politischen Dynastien in Griechenland. Auf der Sitzung des Zentralkomitees der PASOK wurde nur einen Tag nach Simitis` Rücktritt die Kandidatur des heutigen Außenministers Giorgos Papandreou für das Amt des Vorsitzenden der Partei bekannt gegeben. Der neue Vorsitzende der griechischen Sozialisten besitzt den symbolträchtigen und traditionsreichen Namen Papandreou.
Der 1952 geborene Giorgos Papandreou vertritt jedoch Ansichten, die weit entfernt sind von der populistischen, mitunter sogar nationalistischen Politik seines Vaters Andreas Papandreou. Als Außenminister im Kabinett von Kostas Simitis gilt Giorgos Papandreou bislang als Mentor für bessere Beziehungen sowohl zu den Balkanländern, als auch zur Türkei.
Apropos Dynastie: Auch der Name des Vorsitzenden der stärksten Oppositionspartei, der konservativen Néa Dimokratía, ist weiterhin eng mit der politischen Tradition des Landes verbunden: Kostas Karamanlis, geboren 1956, ist der Neffe von Konstantinos Karamanlis, dem die Aufnahme Griechenlands in die EU zu verdanken ist.
Offener Ausgang
Noch ist es zu früh, um einzuschätzen, wie sich Simitis' Rücktritt auf die Wahlchancen seiner Partei auswirken wird. Sicher scheint, dass Giorgos Papandreou im Stande ist, bei Umfragen den Abstand zur Opposition zu verringern. Doch es gibt viele Unentschlossene, die sich bei den Wahlen am 7. März 2004 erst im letzten Moment für eine der zwei großen Parteien entscheiden werden.
Kostas Simitis genießt hohes Ansehen in Europa und wurde auch schon für höhere EU-Ämter gehandelt. Und die bisher von ihm geführte Regierungspartei hat auch wichtige Ziele erreicht wie beispielsweise die Stabilisierung der Wirtschaft, die Währungsunion, die Bekämpfung des Terrorismus oder auch die bevorstehende Aufnahme Zyperns in die EU.
Kein Pardon der Wähler
Daheim hat all dies Simitis nur bedingt geholfen, denn die griechischen Wähler haben andere Themen im Blick: Viele von ihnen geben der Regierung Simitis die Schuld für den schlechten Zustand des Gesundheitswesens, der Bildung und des Arbeitsmarktes. Aus ihrer Sicht gibt es kein Pardon für die missglückte Rentenreform oder den Verlust ganzer Vermögen von Kleinanlegern an der Athener Börse nach einer Investitionsempfehlung der Regierung.
Hinzu kommen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen: Griechenlands Bürger sehen sich tagtäglich mit Marktpreisen auf westeuropäischem Niveau konfrontiert - empfangen aber Löhne, Gehälter und Renten, die bei weitem unter dem europäischen Durchschnitt liegen. Die große Herausforderung für jede künftige Regierung ist demzufolge die Annäherung an die wirtschaftlichen und sozialen Standards der EU.
Inhaltliche Auseinandersetzung
Sehr wahrscheinlich ist, dass sich sowohl Papandreou, als auch Karamanlis in ihrem Wahlkampf auf Lösungsvorschlägen zur Verbesserung des Alltagslebens konzentrieren werden. Es wird nicht mehr, wie bisher oft üblich, um eine unfruchtbare Auseinandersetzung zwischen "Links" und "Rechts" gehen - sondern um konkrete Positionen und Inhalte. In der Tat benötigt Griechenland dringend neue Impulse, besonders wirtschaftlicher Art.
Das derzeitige Wirtschaftswachstum von drei Prozent resultiert zum größten Teil aus Bauprojekten für die Olympischen Spiele. Und eine erweiterte EU mit demnächst insgesamt 25 Mitgliedern lässt für Athen eine geringere finanzielle Unterstützung aus Brüssel erwarten. Wer immer also der nächste Premier sein wird: Er wird dafür sorgen müssen, dass Griechenland künftig mehr aus eigener Kraft heraus erreichen kann.