Tianjin: Was explodierte und warum?
14. August 2015Wie der Radiosender China National Radio berichtet, stieg die Zahl der Toten auf 55. Mehr als 700 Menschen wurden bei den Explosionen auf dem Hafengelände von Tianjin verletzt, mindestens 70 Schwerverletzte liegen in den Krankenhäusern der nordchinesischen Metropole. 13 Feuerwehrleute und eine unbekannte Anzahl an Hafenarbeitern werden noch immer vermisst. Mindestens 3500 Menschen wurden obdachlos.
Erschütterungen in den USA zu spüren
Am Unglücksort bot sich weiterhin ein Bild der Zerstörung, an verschiedenen Orten stieg noch Rauch auf, die meisten Straßen waren allerdings von Trümmern befreit. Einige Polizisten waren ohne Schutzkleidung zu sehen, andere hingegen trugen Gasmasken.
In einem Hafenlager der 15-Millionen-Metropole waren in der Nacht zu Donnerstag gefährliche Chemikalien explodiert und hatten vermutlich eine Kettenreaktion an weiteren Explosionen ausgelöst. Die Detonationen richteten auf dem Gelände im Binhai Distrikt schwere Zerstörungen und selbst in einem kilometerweiten Umkreis noch Schäden an. Die Erschütterungen wurden sogar noch vom Geologischen Dienst der USA (USGS) registriert.
Lösten Löscharbeiten die Katastrophe aus?
Ausländischen Experten zufolge könnte die Feuerwehr selbst unfreiwillig die Explosionen ausgelöst haben, als sie versuchte, einen Brand in einem Lager für Calciumcarbid mit Wasser zu löschen. Dies führt zur Bildung des hochexplosiven Gases Acetylen. Ein Vertreter der Feuerwehr sagte, es habe sich um ein großes Lager gehandelt. Die Feuerwehrleute hätten nicht gewusst, wo genau sich das Calciumcarbid befunden habe.
Auch die chinesischen Behörden können nicht sagen, welche gefährlichen Güter in dem Lager explodierten. "Wir wissen nicht sicher, welche Chemikalien es waren, wir wissen auch nicht, welche Mengen es waren", sagte Gao Huaiyou vom Amt für Produktsicherheit von Tianjin vor der Presse. Die Chemikalien seien nur vorübergehend gelagert gewesen, es fehlten Dokumentationen. Das Lager sei völlig zerstört worden.
Nach Angaben der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua untersuchen mehr als 200 Militärexperten, die auf chemische, biologische und nukleare Kampfstoffe spezialisiert sind, den Unglücksort.
Luft und Wasserwerte unter Kontrolle?
Die Zeitung "Beijing News" hatte berichtet, dass sich nach Angaben der Hersteller unter anderem mindestens 700 Tonnen Natriumcyanid in dem Lager befänden. Zudem sei die giftige Chemikalie in Abwasserproben in der Gegend nachgewiesen worden. Der Bericht war am Freitag nicht mehr über die Internetseite der Zeitung abrufbar.
Die örtlichen Behörden teilten dagegen mit, sowohl die Luft- als auch Wasserqualität seien unter ständiger Beobachtung, bisher seien die Werte allerdings normal. Die chinesische Regierung will nun alle Lager für gefährliche Chemikalien und Sprengstoffe untersuchen lassen. Das Kabinett kündigte an, hart gegen illegale Aktivitäten vorzugehen, um die Sicherheit in der Branche zu verbessern.
Helfer retten Feuerwehrmann aus den Trümmern
Der Hafen von Tianjin ist der zehntgrößte der Welt. Nach Angaben der Deutschen Auslandshandelskammer in Peking sind dort rund 150 deutsche Unternehmen ansässig, davon etwa die Hälfte mit eigenen Produktionsstätten. Dazu gehörten Volkswagen, Continental, Siemens und Airbus, aber auch zahlreiche Mittelständler. Sie importieren über den Hafen viele Rohstoffe. Auch sie könnten nun mit Liefer- und Produktionsausfällen zu kämpfen haben.
Inmitten all der Schreckensnachrichten gab es am zweiten Tag nach dem Unglück auch eine positive Meldung: Ein 19-jähriger Feuerwehrmann konnte lebend aus den Trümmern geborgen worden. Zhou Ti werde wegen Brustverletzungen im Krankenhaus von Tianjin behandelt, sein Zustand sei stabil, teilte die Stadtverwaltung mit. Die Staatsmedien feierten Zhou als Helden.
cw/qu (dpa, afp, rtr)