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Rache als Motiv für Gewaltwelle im Irak

Peter Philipp 11. Mai 2005

Die Gewalt im Irak nimmt kein Ende. Seit Bildung der Regierung ist die Zahl der Anschläge drastisch gestiegen. Wo liegen die Ursachen? Eine Analyse von Peter Philipp.

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Aufräumarbeiten nach einem Anschlag in BagdadBild: dpa

Während der letzten drei Monate haben die Iraker einen merkwürdigen Eindruck von dem bekommen, was man ihnen aus Washington als die Lösung ihrer Probleme angepriesen hatte: Demokratie, freie Wahlen und eine frei gewählte Regierung. Solange nämlich dauerte es, bis Ibrahim Dschaafari, der neue Ministerpräsident, sein Kabinett zusammen hatte.
Irak Ministerpräsident Ibrahim al Dschaafari
Der irakische Ministerpräsident Ibrahim Jaafari bei einer PressekonferenzBild: AP

Aber nicht nur das Hickhack unter den verschiedenen religiösen und ethnischen Gruppen um Ministerposten muss die Iraker enttäuscht haben - die doch am 30. Januar entgegen allen Morddrohungen an die Wahlurne gegangen waren. Mindestens ebenso frustrierend muss für sie gewesen sein, dass diese drei Monate die schlimmste Eskalation der Gewalt und des Blutvergießens gebracht haben, die der Irak je erlebt hat.

Niemand wird verschont

Zur Zeit der Wahlen hatte man noch gehofft, dass die todesverachtende Wahlbereitschaft vieler Iraker auch von den Aufständischen und den Terroristen letztlich als Absage an ihr blutiges Handwerk verstanden werden müsste. Denn welche Untergrundbewegung kann auf Dauer gegen den Willen der Bevölkerung operieren? Das wäre die Widerlegung aller bisher akzeptierten Grundregeln des Untergrundkampfes.

Die Bomber von Bagdad, Mosul und Erbil hielten sich nicht an diese Regeln. Sie hatten offenbar vor, die Regierungsbildung so weit zu erschweren wie nur irgend möglich. Mit Erfolg. Ein weiteres Motiv aber ist in zunehmendem Maße offenbar: Rache nehmen! So werden nicht nur Polizei- und Armeerekruten angegriffen, Angehörige des neuen Systems und Ausländer, die mit diesem in Verbindung stehen oder stehen könnten. Es werden auch Angehörige konkurrierender
Bevölkerungsgruppen attackiert: Da wurden die Leichen ermordeter Schiiten gefunden und nun die von religiösen Sunniten. Oder es werden kurdische Zivilisten überfallen. Ziemlich klare Indizien dafür, dass der Terror im Irak sich um die Facette der interreligiösen und interkommunalen Gewalt ausweitet.

Regime-Gegner von einst sind die Herren von heute

Solches gab es bereits in der Vergangenheit, da aber war es "von oben" angeordnet: Das Regime Saddam Husseins führte Vernichtungsfeldzüge gegen Schiiten und Kurden, von denen diese beiden Volksgruppen sich bis heute nicht erholt haben. Und es sind mit einiger Wahrscheinlichkeit Sympathisanten dieses gestürzten Regimes, die nun nach ihrer Entmachtung zeigen wollen, dass die Gegner von einst immer noch in Angst und Schrecken leben müssen.

Terror im Irak weitet sich aus
US Soldaten sichern ein Gebiet, in der kurz zuvor eine Autobombe explodiert istBild: AP

Diese ehemaligen Gegner sind freilich inzwischen die Herren von heute: der neue Staatspräsident Talabani ist Kurde, Ministerpräsident Dschaaafari Schiit. Und die Ministerliste ist auch unter ihnen aufgeteilt. Allerdings - und auch das war ein Grund für die lange Dauer der Regierungsbildung: Man hat auch Sunniten an der Regierung beteiligt. Nicht aus Angst vor den Sunniten, sondern aus der Erkenntnis heraus, dass ein neuer Irak nur dann gelingen kann, wenn alle Iraker an ihm beteiligt sind. Das mag nicht ganz dem herkömmlichen Demokratieverständnis entsprechen, aber zumindest fürs erste ist das wohl der einzig gangbare Weg.