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Radikale Positionen verschärfen den Nahost-Konflikt

Kersten Knipp20. August 2014

Die Verhandlungen über einen Waffenstillstand zwischen Israel und den Palästinensern sind gescheitert. Dazu beigetragen haben auch verhärtete religiöse und politische Positionen - etwa bei Hamas und Siedlern.

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Eine Demonstration im Gazastreifen, 27.9.2013 (Foto: APA)
Bild: picture alliance/landov

Seit die Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern gescheitert sind, fliegen aus Gaza wieder Raketen Richtung Tel Aviv. Von den israelischen Luftbasen starten Flugzeuge, um Ziele in dem kleinen Küstenstreifen anzugreifen. Mindestens 19 Palästinenser sind seitdem gestorben.

Einmal mehr konnten sich Israelis und Palästinenser nicht einigen. Die Palästinenser forderten eine Aufhebung der Blockade des Gazastreifens, die Israelis wollten mit Verweis auf Sicherheitsbedenken nur eine Linderung zugestehen. Beide Parteien machen sich gegenseitig für das Scheitern der Verhandlungen verantwortlich.

Deren Abbruch zeigt aber auch, wie wenig beide Parteien es sich leisten können, der jeweils anderen Seite auch nur minimale Zugeständnisse zu machen. Die Unterhändler stehen in ihren Heimatländern unter großem Druck. Beide Seiten haben im Krieg gewaltige Schäden hinnehmen müssen. Darum würde den Unterhändlern jedes Entgegenkommen als Schwäche ausgelegt. Hinzu kommen verhärtete Positionen, hinter die beide Parteien nur mit Mühe zurückgehen können. Zugleich erlauben sie es ihnen, die jeweils andere Seite des Fundamentalismus zu beschuldigen, in dessen Namen sie sich Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen verweigere.

Religiöser Fundamentalismus der Hamas

Besonders leicht kann Israel diesen Vorwurf erheben. Zu beziehen brauchen sich seine Vertreter nur auf die 1988 verfasste Charta der Hamas. Darin ruft diese zur Vernichtung Israels auf: "Israel wird entstehen und solange bestehen bleiben, bis der Islam es abschafft, so wie er das, was vor ihm war, abgeschafft hat." Israel soll nicht nur "abgeschafft" - sprich, vernichtet werden - sondern dies soll auch im Namen des Islam geschehen.

Demonstration von Hamas-Sympathisanten im Gazastreifen, 08.08.2014 (Foto: EP)
Demonstration von Hamas-Sympathisanten im GazastreifenBild: imago/Eibner Europa

Die Charta sei seit 20 Jahren nicht mehr in Gebrauch, erklärt Hamas-Sprecher Ahmad Yousef gegenüber der DW. "Wir nehmen sie weder als Grundlage unseres Unterrichts, noch beziehen wir uns auf sie." Doch abschaffen will die Hamas die Charta trotzdem nicht. Damit liefert sie der israelischen Regierung seit Jahren ein Argument, die Gespräche im Zweifel abzubrechen.

Eine israelische Theokratie?

Komplexer sieht die Lage in Israel selbst aus. Im israelischen Parlament, der Knesset, sitzen derzeit drei orthodoxe jüdische Parteien. Zusammen halten sie 30 der insgesamt 120 Sitze. Die beiden Wissenschaftler Abbas Milani und Israel Waismel-Manor haben im April in einem Leitartikel in der "New York Times" daraus den Schluss gezogen, diese Kräfte würden die politische Kultur Israels grundlegend verändern: "Die orthodoxen Parteien versuchen Israel in eine Theokratie zu verwandeln", heißt es in dem Blatt.

Dem Vorwurf hat der israelische Publizist Yair Rosenberg in dem Internetmagazin "tabletmag" umgehend widersprochen: "Die orthodoxen Juden sind nicht alle die gleichen, nicht alle orthodoxen Parteien sind die gleichen, und nicht alle orthodoxen Juden versuchen Israel in eine Theokratie zu verwandeln."

Trotzdem zeigen sich auch in Israel fundamentalistische Regungen. Dazu zählen etwa extremistische Siedler, die im Westjordanland Siedlungen errichten, die - anders als die im Namen des Staates gebauten - nach israelischem Recht als illegal gelten. Dazu gehören die als "pricetags" bekannt gewordenen physischen Übergriffe gegen Muslime und teils auch Christen im Westjordanland wie auch in Israel selbst. Und dazu zählt auch der von religiösen Extremisten begangene Mord an einem palästinensischen Jugendlichen Anfang Juli in Jerusalem. Er erfolgte als Reaktion auf die Entführung und Ermordung dreier israelischer Jugendlicher wenige Wochen zuvor. Und im Juli erklärte der im Westjordanland lebende national-religiöse Rabbiner Dov Lior die Zerstörung des gesamten Gazastreifens für zulässig.

Ultraorthodoxe Juden bei einer Auseinandersetzung mit der israelischen Polizei, 14.12.2011 (Foto: EPA)
Ultraorthodoxe Juden bei einer Auseinandersetzung mit der israelischen PolizeiBild: picture alliance/dpa

Politischer Rechtsruck

Der religiösen Verhärtung scheint auch eine Tendenz zum rechten politischen Spektrum zu entsprechen: In einer aktuellen Umfrage des Israeli Democracy Institute bezeichneten sich 34 Prozent der jüdischen Israelis als "rechts" und 28 Prozent als "gemäßigt rechts". Nur 22 Prozent rechneten sich der politischen Mitte zu. Als "links" oder "gemäßigt links" bezeichneten sich nur 12 Prozent der Befragten.

Der Rechtsruck spiegelt sich während der Gaza-Krise auch in der Knesset. Der Likud-Abgeordnete und stellvertretende Knesset-Sprecher Moshe Feiglin brachte im Juli den Geltungsanspruch Israels auf das Gebiet des Gazastreifens zum Ausdruck: "Gaza ist Teil unseres Landes, und wir werden für immer dort bleiben." Für die Zukunft des Streifens äußerte er konkrete Pläne: "Nach der Eliminierung des Terrors aus dem Gazastreifen wird dieser ein Teil des souveränen Israel und von Juden besiedelt werden." Ausreisewillige Palästinenser, so Feiglin weiter, würden großzügig unterstützt. Diejenigen, die bleiben wollten, erhielten zunächst einen Aufenthaltsstatus, der nach einigen Jahren in die israelische Staatsbürgerschaft münden könnte.

Friedensdemo in Tel Aviv, 16.08.2014 (Foto: dpa)
Friedensdemo in Tel AvivBild: picture-alliance/dpa

Teile der israelischen Linken sehen weniger in einem religiösen als in einem politischen Extremismus die größte Herausforderung für die politische Kultur des Landes. "Israel gleitet nicht in Richtung einer Theokratie, sondern in Richtung einer energischen und oft brutalen Unterdrückung, zu der extremer Nationalismus so oft führt", schrieb der Publizist Mitchell Plitnick im April im Internetmagazin "lobelog.com".