Raj Kapoor verkörperte den Traum vom Glück
18. April 2013Tollpatsch, Vagabund, Romantiker- so einige der gängigen Bezeichnungen für die indische Kinolegende Raj Kapoor. In Charlie Chaplin fand er Inspiration und Vorbild. "Raj Kapoor war niemals der typische Frauenheld", erzählt Filmkritikerin Bhawana Somaaya. "Er machte Fehler, er war schwach und wurde oft Opfer seiner Schwäche. Die Charaktere, die er spielte, haben auch gestohlen und waren bisweilen unehrlich, aber letztlich fanden sie immer wieder den Weg zurück zur Ehrlichkeit."
Für die Filmkritikerin ist dieses Menschlich-Allzumenschliche, das Kapoor verkörperte, der Schlüssel zu seinem Erfolg auch im Ausland. In den sechziger Jahren wurde Indien zum Thema in der ehemaligen UdSSR und in anderen asiatischen Ländern. Raj Kapoors Filme mit ihren bunten, aber leicht zu verstehenden Handlungen und simpel gestrickten Charakteren waren auch für Menschen aus anderen Kulturkreisen leicht zu verstehen. Und nicht zuletzt in Russland und Osteuropa fanden die Lieder, die Kapoor in seinen Filmen sang, großen Anklang.
Charlie Chaplin als Inspiration
Raj Kapoor wurde 1935 als Sohn einer erfolgreichen Schauspielerfamilie in Rawalpindi (im heutigen Pakistan) geboren. Er ahmte den Stil von Charlie Chaplin nach, komplett mit dem typischen schwarzen Anzug und den linkischen Gesten des US-Komikers. Kapoors Filme "Awara" (Der Vagabund) von 1951 und "Shri 420" (Herr Verbrecher) von 1955 thematisierten das Leben in Armut und seine Herausforderungen. Im "Vagabund" war Kapoor der Sohn eines Richters, der seine schwangere Frau der Untreue verdächtigt. Die Frau muss ihren Mann verlassen und gemeinsam mit ihrem Sohn, dem Vagabunden, ihr Leben in Armut verbringen. Als "Herr Verbrecher" spielt Kapoor einen armen Dorfjungen, der versucht, in der Metropole Mumbai auf zweifelhaften Wegen reich zu werden.
Populäre Lieder
Die Filme fanden großen Anklang beim Publikum, aber noch erfolgreicher waren die darin vorkommenden Lieder. "Awara hun" ("Ich bin ein Vagabund") wurde vor allem im Ausland zum Markenzeichen von Raj Kapoor. Im Internet kursieren immer noch Videos, auf denen russische Soldaten das Lied singen, auch Versionen auf Türkisch mit türkischen Frauen in indischen Gewändern sind zu finden. Kapoor wurde mit seinen Filmen und Lieder so berühmt, daß die Regierung der damaligen UdSSR ihn nach Baku einlud und ihn zum Jurymitglied für die dortigen Filmfestspiele 1965 und 1967 machte.
Die engen Beziehungen zwischen der UdSSR und dem blockfreien Indien waren die politische Basis für Kapoors Popularität im damaligen Ostblock. Die meisten Menschen dort waren arm, es ging ihnen meistens schlechter als den Parteifunktionären, die einen höheren Lebensstandard genossen. Der alltägliche Kampf der normalen Bürger um ein bisschen mehr vom gesellschaftlichen Kuchen war das Thema der Filme Kapoors, und damit traf er den Nerv des Publikums in Indien ebenso wie im real existierenden Sozialismus im Ausland.
Träume von einer besseren Zukunft
Dabei seien Kapoors Filme keinesfalls als Kritik an der damaligen indischen Regierung zu verstehen, sagt Madhava Prasad, Autor des Buches "Ideology of the Hindi Film" und Dozent an der Universität in Hyderabad. Das Leitbild des demokratischen Sozialismus, dem der erste indische Ministerpräsident Jawaharlal Nehru anhing, habe den Kampf gegen die Armut mit dem Traum von einer besseren Zukunft verbunden. Und genau das sei auch die Aussage der Filme Kapoors, so Madhava Prasad.
Die in den Filmen Kapoors ausgedrückten Träume und Hoffnungen waren auch die der Zuschauer, so Filmkritikerin Bhawana Somaaya. "'Die Gegenwart mag schwierig sein, aber die Zukunft wird fantastisch', so lautete im Kern das Regierungsprogramm von Ministerpräsident Jawaharlal Nehru, und das war auch die Botschaft der Filme Kapoors."