Schwulencomic-Zeichner Ralf König wird 60
7. August 2020"Alle lieben Ralf" - glaubt man Rosa von Praunheims menschelnder Film-Doku über Ralf König (2012), dann hat sich der "König des Schwulencomics" in die Herzen vieler Menschen gezeichnet, ob schwul oder nicht schwul. Dafür hat er sich 40 Jahre Zeit gelassen, in denen fast 50 Comics und vier Langfilme entstanden. An seinem 60. Geburtstag am 8. August, soviel steht fest, ist König einer der wichtigsten Vorkämpfer dafür, dass Homosexualität in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist: Mit seinen Alltagsgeschichten aus dem Schwulenmilieu punktet er weit über die Zielgruppe hinaus.
Königs Comics waren zunächst ein Geheimtipp
Witzig, deftig, oft auch hintersinnig und bewegend, so kommen Königs Geschichten daher. Sie zeigen Schwule als fröhliche, lustbetonte und vor allem: ganz normale Menschen. Der Zeichner engagiert sich für die Belange von Homosexuellen, führt manches Vorurteil ad absurdum - und trägt so zu einer gesellschaftlichen Liberalisierung bei. Ralf Königs Bücher wurden in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt, zuletzt ins Katalanische, Gälische und Polnische. Eine Gesamtauflage von fast sieben Millionen Exemplaren vermeldet König stolz auf seiner Website und reklamiert für sich, der "weltweit populärste Autor explizit schwuler Geschichten" zu sein. Vier davon wurden für das Kino verfilmt, etliche als Puppenspiel oder Theaterstück aufgeführt.
König, aufgewachsen im streng katholischen Soest in Westfalen, zeichnet seit vier Jahrzehnten. Die Zeit, als "schwul" in Deutschland noch ein Schimpfwort war, hat er noch miterlebt. "Da gab es höchstens Psycho-Ratschläge und trockene Literatur zum Thema, aber überhaupt nichts, was zeigte, dass Schwulsein auch Spaß machen kann", erinnerte er sich einmal in einem Interview. "Und da bin ich mit meinen Comics ganz unbewusst in etwas Neues reingeschliddert und war dann ziemlich schnell ein Geheimtipp."
Ralf Königs Coming-out
Sein eigenes Coming-out in der ländlichen Provinz hat König "wie Heftpflaster abreißen" durchgezogen, wie er selbst sagt. Nach der Hauptschule machte er eine Tischlerlehre. Später ging er an die Kunstakademie in Düsseldorf. Doch schon mit 19 hatte der angehende Comic-Künstler das Versteckspiel satt - und heftete einen Zettel an seine Hobelbank, auf dem für alle lesbar stand: "Schwul zu sein, bedarf es wenig, ich bin schwul und heiße Ralf König!" Die Betriebskollegen waren geschockt. Doch König findet rückblickend, dass es gut war, "nicht lange damit herumzudoktern."
Königs Durchbruch als Zeichner kam 1987 mit "Der bewegte Mann", verfilmt von Sönke Wortmann mit Til Schweiger, Joachim Król und Katja Riemann in den Hauptrollen. Mit 6,5 Millionen Zuschauern war es der bis dato zweiterfolgreichste Film der deutschen Kinogeschichte; er wurde in 47 Ländern gezeigt, 1995 mit dem Bundesfilmpreis ausgezeichnet und löste einen Boom deutscher Filmkomödien aus.
Beinah auf dem Index
Noch Mitte der 1990er Jahre geriet er ins Visier der Moralwächter. Das bayerische Landesjugendamt wollte Bücher von ihm indizieren - was aber misslang. Heute kann es vorkommen, dass König in einem bayerischen Gottesdienst aus seinen Kirchensatiren vorliest. Gegenwind kommt mittlerweile aus einer anderen Richtung: Ein Wandbild, das nach einem Entwurf von ihm auf eine Hausfassade in der Comic-Hauptstadt Brüssel gemalt worden war, wurde mit den Wörtern "rassistisch" und "transphob" besprüht. Nach einigen Monaten bekam er eine Mail von einer Aktivistin, die ihn darüber aufklärte, was eine gute Karikatur ausmache - und was nicht gehe. "Da war ich dann einfach mal ein schwuler alter weißer Mann, aber für mich ist das ok", sagt König.
Neben dem epischen Comic-Roman pflegte König auch die pointierte Kurzgeschichte. Als satirische Adaption griff er verschiedene Klassiker auf: von Shakespeare über Aristophanes bis zur Bibel.
Bis heute lässt er immer wieder das ungleiche Knollennasen-Paar Konrad und Paul auftreten und zeichnet ihren schwulen Alltag. "Konrad ist eher so der Verkopfte, ein Kulturmensch, Musiklehrer", erklärt König, "und Paul ist so eine kleine schwule Ledersau. Die führen ein Eigenleben, da muss ich mir gar nicht mehr viel ausdenken. Konrad sagt dies, Paul sagt das, und schon streiten sie sich. Die sind den Leuten, glaube ich, richtig ans Herz gewachsen."
Peinliches Frühwerk
40 Jahre nach seinen Anfängen ist Königs Frühwerk vergriffen. Es wäre ihm auch peinlich: Der Comic "Schwulcomix 1" etwa, 1980 als Vorabdruck in der Tageszeitung "taz" erschienen, prangerte die Strafverfolgung eines Mannes an, der einen Jugendlichen zum Oralsex animiert hat. "Wenn mir heute diese alten Sachen zum Signieren vorgelegt werden, dann laufe ich immer rot an", so König in einem späteren "taz"-Interview zu seinem 50. Geburtstag. "Das waren meine ersten Striche, 30 Jahre her."
"Wie 'ne Rampensau"
Wegen der COVID-19-Pandemie sind Königs Lesungen weggebrochen, eigentlich sein zweites Standbein. Bei seinen Auftritten werden die Bilder mit einem Beamer an die Wand geworfen, und er liest die Sprechblasen vor. "Ich mach das wie 'ne Rampensau. Wenn die Frau hysterisch quietscht, dann quietsche ich auch, das macht mir schon Spaß. Meine Stimme ist danach immer total ramponiert, aber es ist wirklich eine Freude. Das fällt jetzt alles weg." Stattdessen postete der Zeichner seine Comics auf Facebook. Auch aus einer Geburtstagsfeier wird vorerst nichts. "Mit Abstand und Mundschutz warte ich lieber." In 2021 will er das vollendete 60. Lebensjahr begehen. "Das ist ja eigentlich noch mehr ein Grund zum Feiern."