Brinkhaus stürzt Kauder als Unions-Fraktionschef
25. September 2018Es ist eine kleine Revolution: Die Unionsfraktion im Bundestag hat ihren Vorsitzenden Volker Kauder nach 13 Jahren im Amt gestürzt und Ralph Brinkhaus (Artikelbild) zum Vorsitzenden gewählt. Brinkhaus gewann mit 125 zu 112 Stimmen überraschend die Kampfabstimmung gegen Kauder, den Vertrauten von Kanzlerin Angela Merkel. Es gab zwei Enthaltungen. Nach der Bekanntgabe des Ergebnisses wurde die Fraktionssitzung unterbrochen. Der Fraktionsvorstand zog sich zu einer Sitzung zurück, um über die Konsequenzen aus der Wahl zu beraten.
Kauder war der offizielle Kandidat von CDU-Chefin Merkel und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer. Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt unterstützte ihn. Die Abstimmung galt daher auch als Test für die Autorität der drei Spitzenpolitiker. Beobachter werten den Sturz des 69-Jährigen vor allem als Schwächung von Merkel.
"Stunde der Niederlage"
Die Kanzlerin räumte in einer ersten Stellungnahme ihre Niederlage ein. Sie habe den bisherigen Vorsitzenden unterstützt, sagte Merkel in Berlin. Es gebe aber "Stunden der Demokratie", in denen man Niederlagen erleide. Daran sei "nichts zu beschönigen".
Die Opposition kommentierte das Ergebnis erwartungsgemäß. "Die Merkeldämmerung hat endgültig eingesetzt", schrieb AfD-Fraktionschefin Alice Weidel auf Twitter. FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff erklärte: "Das ist der Anfang vom Ende der GroKo. Die Autorität der Kanzlerin in ihrer eigenen Fraktion ist offiziell zerstört."
Auffallend diplomatisch schrieb hingegen die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt: "Herzlichen Glückwunsch zur Wahl an Ralph Brinkhaus. Danke an Volker Kauder für die Zusammenarbeit.
Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann vom Koalitionspartner SPD wiederum ging in die Offensive: "Das ist ein Aufstand gegen Merkel."
Mann für die Finanzen
Der aus dem ostwestfälischen Rheda-Wiedenbrück stammende Brinkhaus ist Finanz- und Haushaltsexperte der Fraktion. In den vergangenen Wochen hatte er sich als Alternative zu Kauder präsentiert. Der 50-Jährige hatte seine Kandidatur unter anderem mit dem Wunsch nach einer aktiveren Rolle der Unionsfraktion gegenüber der Regierung begründet. Zudem warb er für mehr Teamgeist. Wiederholt hatte er betont, seine Kandidatur richte sich nicht gegen Merkel.
Kauder hatte bereits im vergangenen Jahr eine gelbe Karte bekommen: Nach dem für die Union enttäuschenden Abschneiden bei der Bundestagswahl wurde er bei der Wiederwahl des Fraktionschefs mit einem Ergebnis von nur 77 Prozent abgestraft - ohne Gegenkandidat. Zuvor hatte der Baden-Württemberger meist Zustimmungswerte von weit über 90 Prozent erhalten. 2013 waren es sogar 97,4 Prozent.
Die Wahlen für die Führungsämter der Fraktion sind geheim. Abweichler haben daher keine Konsequenzen zu befürchten.
jj/jv (dpa, rtr)